Das Interview mit der lippstädtischen
Tageszeitung der Patriot gestaltete sich so, dass ich Gelegenheit
erhielt, zu den einzelnen Stichworten detailliert Stellung zu
beziehen.
Die Stellungnahmen wurden am 18.09.2002 komplett ohne
Kürzungen oder Änderungen gedruckt.
Politik:
Politik ist die Kunst, dem Gegner Tiefschläge
zu verpassen und selber vor Schmerzen aufzuheulen.
Der Satz hat
leider nicht an Aktualität verloren.
Arbeitsplätze:
Es muss uns in Zukunft gelingen, eine breite Basis zur gerechteren Verteilung vorhandener Arbeit zu realisieren, es kann nicht richtig sein, dass einerseits Überstunden angesammelt werden müssen und andererseits Menschen, die arbeitswillig sind, keine Arbeit bekommen.
Zuwanderung:
Wenn wir uns die Bevölkerungspyramide ansehen, und das wurde uns in den letzten Jahrzehnten immer wieder vor Augen gehalten, kommen wir um Zuwanderung nicht herum, allein schon wenn es um die Sicherung von Grundrenten geht. Wenn wir gezielte Integrationspolitik betreiben, wird Zuwanderung auch eine breitere Akzeptanz im Bereich der rechten Stammtische erhalten.
Umwelt:
Was muss man dazu noch sagen? Letztendlich muss
mittlerweile jedem klar sein, dass wir heute so handeln müssen,
dass jede kleinere Parzelle unseres Planeten auch in tausend Jahren
noch dem Anspruch an eine erhaltenswerte Umwelt gerecht wird.
Wir
haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt, das weiß
jeder, aber wann fangen wir an, an die Generationen zu denken, die
uns in Jahrhunderten folgen werden? Was werden diese Generationen
dann über uns in ihr Äquivalent von Geschichtsbücher
schreiben?
Bildung:
Die Ergebnisse der Pisa-Studie zeigen deutlich, dass wir bewusst den Integrationsgedanken der Zuwanderungspolitik in den Köpfen der Mitbürger verankern müssen, denn die Länder, die besonders gut bei dieser Studie abgeschnitten haben verstehen sich als klassische Einwanderungsländer, in denen neue Mitbürger willkommen sind und gezielt integriert werden.
Steuern:
Wir können nicht einerseits immer mehr erwarten, was unser Staat und seine Organe leisten sollen und andererseits erwarten, dass das nichts kostet. Wer damit wirbt Steuern zu reduzieren, muss erst ‚mal erklären, wen er dafür sozial ausgrenzen will, denn anders kann man nicht sparen, oder will man wieder Schulden machen?
Europa:
Wir alle wollen Europa, aber auch das gibt es nicht zum Nulltarif. Anderseits können wir als kleines Deutschland ohne Europa gar nicht mehr existieren, oder müssten in die Zeit Ludwig XIV zurückkehren, aber das will ja auch niemand. Wir müssen uns daran gewöhnen, das Politik in zunehmendem Maße nicht mehr in Berlin gemacht wird, sondern in Brüssel. Wenn wir dieser geänderten Sichtweise mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen und größere Gewichte auf die Entscheidungen des Europaparlamentes legen, werden wir erkennen, dass wir unser Land anders sehen und organisieren müssen.
USA:
Wir haben mit unserer Vergangenheit den USA unsere Befreiung vom Nationalsozialismus zu verdanken und die Schaffung der ersten funktionierenden Demokratie unserer Geschichte. Trotzdem muss es erlaubt sein, einiges was unsere Gönner tun und machen zu hinterfragen, immerhin gibt es neben den Interessen der Politik auch die der Finanzmärkte, da immer eine saubere Trennung zu schaffen...
Israel:
Unsere besondere Verantwortung für Israel und
die in diesem Lande lebenden Menschen wird moralisch so lange
bestehen bleiben, wie es ein weltpolitisch definiertes Deutschland
gibt. Wenn wir ein Bundesstaat Europas sind, wird unsere Rolle nicht
mehr anders sein, als die der Südstaaten der USA bezüglich
ihrer Vergangenheit im Zusammenhang mit der Sklaverei. Aber wir
sehen auch da gibt es direkte Erinnerungen in unseren Köpfen an
Männer mit weißen Kapuzen.
Andererseits ist es
erlaubt und wird selbstverständlich auch von Politikern meiner
Partei so praktiziert, die Auswirkungen israelischer Politik und
deren Umgang mit anderen Menschen zu kritisieren. Trotzdem bleibt
für uns die Verpflichtung jede Äußerung von Kritik
bewusst abzuwägen, mit dem Hintergrund unserer Geschichte im
Hinterkopf.
Deutschland:
Wahrscheinlich hätte die damalige BRD maßvoller handeln müssen, als das geschah, was man gemeinhin als Wiedervereinigung bezeichnet. Man hätte die Brechstange zur Seite legen müssen und zunächst einmal nachsehen sollen, was unsere Schwestern und Brüder in der ehemaligen DDR so alles hatten, was sich von unseren Gepflogenheiten unterschied. Es wurde da einiges ad acta gelegt, was heute wieder gefordert wird. In puncto Reintegration in den Beruf nach Kindererziehung und Ganztagsbetreuung haben wir einiges auf dem Opferstein der Wiedervereinigung hingegeben.
Kreis Soest:
Der Kreis Soest ist ein ländlicher
Flächenkreis, der landwirtschaftlich geprägt ist und es
auch bleiben sollte.
Wenn wir fünfhundert
Jahre in die Zukunft blicken, wissen wir, dass wir eine
Verantwortung haben, die Bauern zu unterstützen, schon heute
dafür Sorge zu tragen, dass das Land auch in tausend Jahren
noch bewirtschaftet werden kann.
Wir hoffen alle, dass wir dann
auch noch natürlich gewachsene Pflanzen als Lebensmittel
verzehren können und nicht wiederaufbereitete proteinisierte
Plastikbecher und Weißblechdosen.
Schröder:
Der erste Bundeskanzler der Musik hört, die ich auch höre, das bringt ihn mir schon näher.
Stoiber:
Welchen Stoiber meinen Sie? Es scheint da ja mehrere zu geben, denn der Kanzlerkandidat hat ja einigen Dingen zugestimmt, gegen die der Ministerpräsident gleichen Namens vehement votiert.
Toleranz:
Toleranz ist etwas was wir den Hindus in der Religion nachmachen sollten. Schade dass mir jetzt als allererster Politiker, der wirklich Toleranz verkörperte zunächst nur Mahatma Gandhi einfiel.
Solidarität:
Muss man nichts zu sagen, denn gerade die Solidarität wird angesichts der menschgemachten Flutkatastrophe in den betroffenen Flusstälern deutlich gelebt.
Glaubwürdigkeit:
Zum Beispiel eine klare Koalitionsaussage. Glaubwürdigkeit hat auch etwas damit zu tun, dass man seine Werte und Ziele nicht aus den Augen verliert, auch wenn man als kleine Partei mehr Kompromisse eingehen muss. Als als große. Dagegen gibt es ein Mittel; die kleine Partei stärken und nicht die bekannte Mehrheitsbeschaffungspartei, deren klare Wahlaussage nicht ihre Ziele sind, sondern ihr Verlangen, wie viel Prozent der Wahlberechtigten ihr die Stimme geben sollen.
Korruption:
Sollte in der Politik nichts verloren haben, ebenso
wie in Kirchen und der Wirtschaft. Darüber sind sich sicher
alle einig. Aber wenn dann wirklich ´mal etwas an die
Öffentlichkeit gerät sollte man die Ausmaße maßvoll
betrachten.
Ich sehe schon einen Unterschied, ob eine Partei
systematisch schwarze Kassen betreibt und Gelder ins Ausland
schafft, oder ein Abgeordneter erworbene Bonusmeilen nicht richtig
zuordnet. Wenn wir überall solche Maßstäbe anlegten,
wäre einige Parlamente innerhalb kürzester Zeit
leergefegt.
Ansehen (der Politiker):
Wird leider häufig durch Politprofis beschädigt. Schade nur, dass unter diesem Ansehensverlust auch diejenigen zu leiden haben, die über Jahrzehnte hinweg ehrenamtlich ihre Parteiarbeit machen.
Terrorismus:
Terrorismus hat immer etwas mit Fanatismus und nicht
verstanden werden zu tun. Terrorismus kann aber auch religiös
bedingt sein, denken wir an die Anschläge vom 11.09.2001, die
Kreuzzüge oder die Inquisition.
Wenn man wirkungsvoll gegen
Terrorismus - und ich meine damit jede Form von Terrorismus –
vorgehen will, muss man den in den Köpfen der Kinder beginnen.
Wir müssen weltweit das Leben des Menschen als Wert
deklarieren, dazu gehört auch die Staaten
aufzufordern die Todesstrafe abzuschaffen. Wenn wir weltweit
ein einheitliches Menschenbild erfolgreich vermitteln, das auch
gleiche Wertigkeiten von Geschlechts- und Religionszugehörigkeiten
beinhaltet, haben wir schon den ersten Schritt gegen Terror
geschafft. Gleichzeitig müssen wir natürlich, wenn wir
mehr Sicherheit haben wollen, auch mehr Sicherheitskräfte
beschäftigen, was den Arbeitsmarkt entlastet.
Flutkatastrophe:
Nun haben wir wieder so eine Situation in der man
geneigt ist zu sagen, hab ich doch immer schon von geredet,
allerdings muss man sich dann wieder den
Vorwürfen des Polemisierens stellen, wie bei der
BSE-Krise.
Wir haben zur Zeit die Fehler zu ertragen, die durch
den Versuch der Bändigung der Natur und die
Klimaverschiebung zustande kamen. Beides ist menschgemacht. Nun
müssen wir endlich einsehen, dass wir wirklich sorgsamer mit
dem umzugehen haben, was wir von unseren Vorfahren übernommen
haben.
Vielleicht ein guter Anfang
insbesondere wegen der beispielhaften Solidaritätsbewegung.
Lebenstraum:
Eine gerechte Welt, in der alle daran arbeiten, dass Nord-Südgefälle zwischen armen und reichen Ländern abzubauen, in der jedem bewusst ist, woher der Sauerstoff kommt, den er atmet und dass wir nicht auf Kosten folgender Generationen leben können.
Familie:
Mit Ausnahme des Ehepartners sucht man sich seine Familie nicht aus.
Freundschaft:
Mein bester Freund ist dieses ununterbrochen seit über vierzig Jahren. Ich bin froh, einen besten Freund zu haben und das seit so langer Zeit, auch wenn die räumlichen Abstände größer geworden sind, er wohn jetzt in Langenfeld.
Vorbilder:
Einige Religionsstifter, die hätten allerdings Jahrtausende leben müssen, um zu verhindern, dass ihre Religionen zu dem wurden, was sie heute sind.
Ängste:
Dass die Lebensgrundlagen unwiederbringlich aufgebraucht worden sind und unsere Generation als die Generalversagergeneration in den Geschichtsbuchäquivalenten kommender Generationen auftaucht.
Kommunalpolitik:
Weg von der Kirchturmpolitik. Wenn man endlich begreift, dass man eine geplante A 46 nicht in Nachbargemeinden verlegen kann, weil auch da Mitmenschen betroffen sind, ist man schon einen deutlichen Schritt weiter.
Persönliche Ziele:
In fünfzig Jahren zurückblicken zu können und immer noch der Meinung zu sein, einiges richtig gemacht zu haben.