Das Fernsehbild flackerte.
Möglicherweise hing schon dieses kurze Flackern mit den
Besuchern zusammen.
Als ich das Programm wechselte gab es
wieder eine Talkshow.
Normalerweise hätte ich weggeschaltet,
aber das Thema interessierte mich.
Es ging um menschliche Ethik.
"Hat der Mensch das Recht, Tiere zum Verzehr zu töten?"
Die Talkgäste waren sich alle einig, nur eine jüngere
Frau stand allein auf verlorenem Posten, als sie dem Menschen das
Recht absprach, Tiere zu töten.
"Du sollst nicht
töten!"
Man fiel über sie her, als habe sie den
anderen Gesprächsteilnehmern das Recht auf Sauerstoff
abgesprochen.
Nun kam man letztlich zu dem Ergebnis, der Mensch
habe als höher entwickeltes Lebewesen, das Recht, nach seinem
Gutdünken über das Leben und den Tod der Tiere zu
entscheiden.
"Der Mensch ist die Krönung der
Schöpfung und so lange er die Krönung der Schöpfung
ist, hat er das Recht..."
In diesem Moment wurde das
Programm wegen der Besucher unterbrochen.
Auf dem
Bildschirm erschien die bekannte Nachrichtensprecherin und war
offensichtlich von keinem Maskenbildner auf ihren Auftritt
vorbereitet worden.
Das Ereignis, über das sie zu berichten
hatte, musste so wichtig sein...
"Meine sehr verehrten Damen
und Herren!"
Ihre Stimme zitterte und versagte ihr zuweilen
den Dienst.
"Vor wenigen Minuten ist ein offensichtlich
außerirdisches Raumflugzeug auf dem Pariser Platz in Berlin
gelandet."
Ein Bild wurde im Hintergrund eingeblendet und
zeigte eine fliegende Untertasse, wie man sich solche Gebilde nun
'mal vorstellte.
Wie im Film aus den Fünfziger Jahren, der
Tag an dem die Erde Stillstand, wurde die fliegende Untertasse von
Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen umstellt.
Nach
einiger Zeit öffnete sich ein heller Spalt der immer größer
wurde.
Ein riesiger Roboter trat aus der Helligkeit im Inneren
des Raumschiffes nach Draußen.
Ihm folgte ein Mann, der so
aussah, wie Männer so aussehen und hob die Hand.
Er sprach
ein einwandfreies wohlakzentuiertes Deutsch.
"Seid
gegrüßt, Menschen dieses Planeten! Es ist mir eine große
Freude, Euren Planeten nun erstmals nach etwa siebentausend
Umrundungen dieses Planeten um die Sonne zu besuchen."
Wahrscheinlich stockte bei diesen Worten zumindest den jenigen
Menschen vor den Fernsehgeräten, die diese Aussage umsetzen
konnten, der Atem. Dieser Mann gab an, zuletzt vor siebentausend
Jahren auf der Erde gewesen zu sein und aus welchem Grund sollte man
seine Aussage anzweifeln?
Er fuhr fort.
"Trotz des
langen Zeitraumes, der zwischen meinem letzten und diesem Besuch
liegt, hat sich hier kaum etwas verändert. Wenn man den Menschen
betrachtet, stellt man sehr schnell fest, dass alle Veränderungen
sehr oberflächlich sind. Wir legen aus ethischen Gründen
sehr großen Wert darauf, die genaue Entwicklungsstufe eines
Planeten zu ermitteln, den wir besuchen."
Er machte eine
weit ausholende Bewegung.
Der Hohe Rat der Galaktischen
Föderation hat mir erst vor wenigen Eurer Tage die Genehmigung
zu diesem Jagdausflug erteilt. Wir werden etwa zehn Eurer Jahre hier
bleiben, um uns dann einem anderen Jagdplaneten zuzuwenden!"
Indem er diese Worte sprach, drehte er sich auch schon um und
ging zurück in die Helligkeit seines Raumschiffes, gefolgt von
dem riesenhaften Roboter.
Sekunden nachdem sich der helle Schlitz
geschlossen hatte, hob das Raumschiff völlig geräuschlos
ab, verharrte etwa in einer Höhe von fünfhundert Metern,
also deutlich höher als der Turm am Alex, um dann
plötzlich mit irrwitziger Beschleunigung in Richtung Westen
davonzujagen.
Es dauerte einige Minuten, bis ein Kommentator
erschien.
"Meine Damen und Herren! Soeben waren Sie
Augenzeugen des ersten Besuches Außerirdischer..."
Er
verschwand vom Bildschirm und der Bundeskanzler erschien.
"Liebe
Mitbürgerinnen und Mitbürger! Es ist uns noch nicht genau
bekannt, was die Außerirdischen hier vorhaben und wir können
auch noch nicht beurteilten, warum sie ausgerechnet in Deutschland
gelandet sind, aber eines ist sicher.
Dies ist ein historisch
bedeutsamer Moment für die ganze Menschheit!"
Ich
schaltete den Fernseher aus und musste an Orson Wells denken und an
die Marsianer und an die Panik, die sein Hörspiel ausgelöst
hatte.
In meiner Kneipe an der Ecke wollte ich mir die Bedenken
hinunterspülen, die diese Fernseheinspielung in mir
hervorgerufen hatten.
Ein Tumult war schon vor der Kneipe
erkennbar.
Alles redete von dem Raumschiff, dem riesenhaften
Roboter und dem Mann, der angab, schon vor siebentausend Jahren hier
gewesen zu sein.
Als ich einen Gesprächsfetzen mitbekam, in
dem es darum ging, dass jemand annahm, vor gut siebentausend Jahren
habe man wohl Dinosaurier gejagt, fiel mir ein, man könne den
Außerirdischen doch 'mal befragten, ob damals schon die
Pyramiden in Ägypten gestanden hätten. Vielleicht hatte er
sogar authentisches Bild und Filmmaterial.
Ungeahnte
Möglichkeiten taten sich auf.
Minuten später, ich war
dem Eingang meiner Eckkneipe immer noch nicht nennenswert näher
gekommen, kam es zu einem erneuten Tumult.
Arme zeigten nach oben
und ich folgte dem Blick der anderen.
Tatsächlich senkte
sich das Raumschiff, das ich noch vor einer halben Stunde im
Fernsehen gesehen hatte, nun auf die Dortmunder Innenstadt nieder.
"Wenn ich das in meinem Club erzähle!"
Während
die Fliegende Untertasse über dem Park schwebte, tat sich unten
ein heller Schlitz auf und ein Außerirdischer, der aussah, wie
ein Mensch schwebte zu Boden.
Er kam mit schnellen Schritten auf
die Gruppe vor der Kneipe zugeeilt, während das Raumschiff
wieder davonschoss.
Ein Polizist, der dem Außerirdischen
entgegentrat und ihm zum Gruß seine Hand hinhielt, bekam einen
Schlag gegen die Brust versetzt, dass er Meter weit flog und auf dem
Rücken liegen blieb. Mit schnellen Schritten war der
Außerirdische über dem am Boden liegenden und machte sich
an ihm zu schaffen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich zwei Dinge
gleichzeitig.
Erstens zogen sich nach und nach alle Menschen
immer weiter zurück und zweitens näherte sich von beiden
Seiten je eine Hundertschaft der Polizei, wie man es von
Demonstrationen her kennt.
Über ein Megaphon dröhnte
eine Stimme.
"Halt, bewegen Sie sich nicht!"
Die
beiden Hundertschaften umstellten den Außerirdischen, der immer
noch über den Polizisten gebeugt war.
Ich konnte nichts mehr
sehen, bis die Polizisten umfielen.
Nur der Außerirdische
stand noch.
Mit schnellen Schritten eilte er davon.
Aus den
Nachrichten in der Kneipe war zu entnehmen, dass die fliegende
Untertasse wohl in einigen Städten Außerirdische abgesetzt
hatte, die Menschen töteten.
Eines hatten alle Leichen
gemein, ihnen fehlte das Gehirn.
Nun war mir auch klar, warum der
Außerirdische sich über den am Boden liegenden Polizisten
gebeugt hatte...
Mit keinem bekannten Mittel kam man diesen
fremden Wesen bei.
Schusswaffen verfehlten ihre Wirkung, weil sie
anscheinend durch ein energetisches Schutzfeld geschützt waren.
Ich musste mich erst einmal setzen.
"Klar," hörte
ich mich sprechen, "die haben damals auch keine Dinosaurier
gejagt, sondern Menschen!"
Auf dem Bildschirm des Fernsehers
erschien das Gesicht des Außenministers.
"Wir
versuchen seit geraumer Zeit ununterbrochen mit dem UFO Funkkontakt
herzustellen!
Wie ich soeben erfahre kann ich jetzt mit dem
Kommandanten reden!"
Man sah vor dem Außenminister
einen Fernsehbildschirm, auf dem sich das Bild des Mannes
abzeichnete, der etwa eine Stunde zuvor auf dem Pariser Platz in
Berlin gesprochen hatte.
"Was willst Du? Mensch! Warum
störst Du uns?"
Der Außenminister vernehmlich
holte tief Luft.
"Ich denke es kann sich nur um ein
Missverständnis handeln. Eure Leute töten Menschen!"
Der Außerirdische lächelte mit der Duldsamkeit, wie
ich sie mir als Kind für den Lieben Gott gewünscht hatte.
"Kein Missverständnis Mensch! Ich sagte doch, wir sind
hier um zu jagen. Was sollte man sonst jagen, wenn nicht Menschen?!"
"Aber das ist unmoralisch! Ethisch nicht zu vertreten! Wir
sind die am Höchsten entwickelte Spezies dieses Planeten!"
"Ja, das seit Ihr unzweifelhaft! Aber glaube mir, Mensch!
Wir sind Euch in unserer Entwicklung um Jahrtausende voraus. Wenn ihr
meint, ihr wäret die Krönung der Schöpfung auf diesem
Planeten, dann kann ich nur sagen, wir sind die Krönung der
Schöpfung der ganzen Galaxis. Wer sollte das ethisch-moralische
Recht haben, zu jagen, wenn nicht wir?"
Der Außenminister
war erblasst.
"Aber das geht doch nicht, wir sind
intelligente Wesen!"
"Nein, nicht wirklich, zumindest
nicht im Vergleich zu uns!"
Verschwörerisch näherte
sich der Außerirdische der Aufnahmeoptik, als wolle er dem
Außenminister etwas verraten, was ansonsten niemand hören
sollte.
"Wir sind unsterblich! Wir haben seit Jahrtausenden
alle erdenklichen Krankheiten besiegt und nun sehen wir eine neue
Chance! Du musst das verstehen! Ihr habt es geschafft eine Erkrankung
zu kreieren, die uns gefährlich werden könnte, Ihr nennt
sie bovine spongiforme Encephalopathie. Wir hoffen, einige
unserer Leute infizieren zu können, daher essen sie die Gehirne.
Du musst es verstehen, für uns ist das eine richtige
Herausforderung!"
"Wir können Dir tonnenweise
Rinder liefern!"
"Das ist nicht das selbe! Wir sind
ethisch so weit entwickelt, dass wir so etwas nicht mehr essen
können! Ihr esst ja auch keine Amöben!"
Der
Bildschirm vor dem Außenminister verdunkelte sich und ich
verließ die Kneipe, um wieder nach Hause zu
gehen.
Mitten in einer relativ dunklen Gasse hatte ich dann die
Begegnung.
"Scheiße!"
Ich erkannte meine
eigene Stimme nicht wieder.
Vor mir stand einer der
Außerirdischen und ich wusste, dass ich keine Chance haben
würde.
Wie angewurzelt blieb ich stehen.
"Was hast
Du, Mensch!"
"Nichts, ich dachte nur darüber nach,
wie schade es ist, dass ich noch nicht alles aufgeschrieben habe, was
ich aufschreiben wollte, in meinem Gehirn steckt noch so viel! In
meinem Gehirn stecken noch sehr viele Geschichten!"
"Aber
in deinem Gehirn fehlt auch etwas, Mensch!"
"Was? Was
soll den da fehlen?"
"Du scheinst Dich nicht so zu
ernähren, wie Deine Artgenossen!"
"Stimmt, ich
esse keine Tiere! Ich habe noch nie Tiere gegessen!"
"Schade,
dann kommt Dein Gehirn für unsere Untersuchungen nicht in Frage!
Tut mir leid!"
"Mir nicht, wenn ich ehrlich bin, denn
dann kann ich ja noch einige der Geschichten aufschreiben, die in
meinem Gehirn vorhanden sind!"
Ende