Reise durch Cissylvanien
Es war wohl ein Hauch von Verkommenheit,
mit flottem Leben und Saufen;
so stand er denn immer zum Sprung bereit,
um dann ohne jede Bedenklichkeit
vor sich selber davonzulaufen.
Da war wohl das Meer der Vergessenheit,
das mächtig ihn angezogen;
so wie er in seiner Besessenheit,
entsprechend jener Vermessenheit,
die Welt und sich selbst hat betrogen;
dass nun im Hinblick auf seine Vergangenheit
sich lautlos über ihm schlossen die Wogen.
P. G. Zimmermann
Reise durch Cissylvanien
In The Beginning
Jetzt endlich hat man etwas Zeit und könnte all das schreiben, was man in den letzten Jahren zu Papier
bringen wollte, was man natürlich schon lange nicht mehr so macht; ich meine das direkte Beschreiben
von Papier.
Papier beschreiben.
Im Alter von zwölf Jahren habe ich tatsächlich Papier beschrieben, ein dickes Din-A-4-Heft hatte ich,
und die Geschichte handelte von Aga-Hes, Vai-Tegu, Ramses und Xill Yoll.
Weil ich wohl immer schon das Schreiben für etwas besonderes, eine Berufung gehalten hatte, weil ich
immer schon der Meinung gewesen war, das Aneinanderreihen von gut sechsundzwanzig Symbolen,
wenn man die Umlaute dazu nimmt neunundzwanzig und wenn man die Tastatur meines Computers
betrachtet zweiundfünfzig einschließlich der Zahlen, des Leerzeichens und aller in diesem Text
vorkommenden Symbole, sei meine Berufung, sei das was ich kann und was ich tun sollte, machte ich
den Schritt über eine elektrische Schreibmaschine hin zum Computer.
Immer hatte das was ich schrieb eine Handlung gehabt, einen roten Faden, der sich durch den Text
zog, immer hatte ich mehr den Eindruck ein Erzähler zu sein, als ein Schriftsteller. Je sinnvoller ich
meine Texte fand, desto weniger interessierten sie andere.
Schrift stellen nicht setzen.
Ene mene tekel...
Doch niemand verstand, zu deuten die Flammenschrift an der Wand
Der Computer macht dieses gleichmäßige Geräusch bestehend aus dem Kühlventilator für das Netzteil
und jenem für den Prozessor, während Regentropfen sich auf unseren halbtransparenten Lichtkuppeln
bemerkbar machen. Das integrierte CD- Rom-Laufwerk bringt Nights in White Satin von Moody
Blues zu Gehör und ich fühle mich zurückversetzt nach Basel in das Jahr 1973, in die WG in der ich
zum ersten Mal bewusst Moody Blues hörte.
Mühsam versuche ich Erinnerungen zu ordnen und bedaure das Nichtvorhandensein einer
Defragmentierfunktion in meinem Wachbewusstsein.
Doch was soll man schreiben, wenn nicht eine Geschichte, eine Erzählung, einen Roman. Vielleicht ist
es wirklich so, vielleicht ist alles geschriebene, nicht zuordenbare interessanter, als die Texte, in denen
etwas geschieht, als die Texte die eine beschriebene Geschichte zu Gesicht bringen, nicht zu Gehör,
denn wir befassen uns hier mit Schreiben; geschriebenes Wort hört man nicht, man sieht es.
Mit zwölf hatte ich aber nicht angefangen, nein, angefangen hatte ich mit acht Jahren, als meine Eltern
mit mir und meiner Cousine in Duhnen bei Cuxhaven waren, als es mir schwerfiel wegen des
unentwegten Sonnenscheines meine Migräne loszuwerden. Mein Vater hatte den VW- Käfer, einen
zwölfhunderter Käfer, mit allen möglichen Decken so von Außen verhängt, dass ich es auf dem
Hintersitz einigermaßen aushalten konnte. Meine Cousine hatte die Idee, ich könne ja einen Krimi
schreiben. Wie sie auf eine solche Idee gekommen war, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.
Doch ich schrieb eine Geschichte von einem Einbruch in einer Bank. Ich schrieb in der Ich-Form und
kann bis heute nicht verstehen, dass es Leute gibt, die sich anderer Schreibstile befleißigen, weil ich es
einfach nicht nachvollziehen kann, weil ich mich mit dem Protagonisten, wenn ich lese, identifizieren
können will. Die Geschichte von dem Einbruch in der Bank schrieb ich in der Ich-Form und hatte
gleichzeitig eine Menge Hintergrundwissen im Kopf, das ich nicht zu Papier brachte. Ich war ein
Detektiv, der sich selbst berufen fühlte, diesen Raub aufzuklären, was ich dann auch auf höchst
profane Art tat.
Mein vorheriges Verhältnis zu Papier war allerdings noch profaner, ich bemalte es mit mehr oder
weniger misslungenen Gegenständen, meist Autos oder Häusern.
Meine Lehrer, ich meine hiermit in diesem Zusammenhang die in der Schule, die ich sehrwohl von den
Personen zu unterscheiden vermag, die wichtigere prägende Einflüsse auf meine Entwicklung hatten,
äußerten meiner Mutter gegenüber, ich habe zu viel Phantasie, was mir elterlicherseits von dem
Zeitpunkt an in unregelmäßiger Regelmäßigkeit immer wieder im Rahmen einer allgemeinen
Vorwurfshaltung über den Weg lief.
Schreiben, ohne einen Sinn , eine Aussage, eine Botschaft in den Text legen zu wollen.
Das Ziel sollte sein, dem Leser so viel Möglichkeit zur Interpretation zu lassen, als habe er das Buch
selbst geschrieben. Ein jeder Leser sollte sich dergestalt mit dem Autor identifizieren können, dass er
zu jeder Zeit während der Lektüre des Buches mit ihm einer Meinung ist. Man sollte also versuchen,
sich bei allem was man schreibt so allgemein zu halten, dass einen niemand festnageln kann.
Aber hat Heinrich Böll so geschrieben?
Hat Günter Grass seine Meinung zurückgehalten?
Wenn ich schreibe...
Warum schreibe ich eigentlich?
Wenn es keine Menschen gibt, die meine Erzählungen oder Geschichten lesen wollen, erfüllt dann
mein Schreiben nicht nur einen Selbstzweck?
Was ist schlecht an einem Selbstzweck?
In The Beginning.
Wenn man den Beweggründen menschlichen Verhaltens näher kommen will, kommt man nicht an
dem vorbei, was einen als Kind bewegt hat; was einen gedanklich beschäftigte, was die eigentlichen
Ziele des persönlichen Handelns waren.
Mit was hat man sich in seiner Kindheit auseinander gesetzt?
Ich vermeide bewußt den von vielen anderen gebrauchten Begriff des Träumens, weil ich in dieser
gedanklichen Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen ureigensten Zielen, wesentlich mehr sehe,
weil diese Erinnerungen in meinen Gedanken der Schlüssel zu allem sein können, ja sind.
Ich nenne es lieber gedankliche Beschäftigung mit den persönlichen Zielen, mit dem, was man
erreichen, ja verändern will, in und an sich und in und an anderen, wie auch an der Umgebung, um
letztlich zu der Erkenntnis zu kommen, nur sich selbst ändern zu können und getrost andere und
Umgebung außer Acht lassen zu können.
Mag sein, dass diese Gedanken manch einem schon zu hochgestochen erscheinen, aber...
Ich meine nicht diese Sequenzen, des Lokomotivführerwerdenwollens, auch wenn sie ein Teil der
Gedankenwelt von damals gewesen sind.
Ich meine die Gedanken, die einen auf den Weg gebracht haben, den Weg, der nur diese eine
Bezeichnung haben kann:
Reise durch SYSSYLVANIEN
Wie jede Reise so hatte auch diese irgend wann einmal ihren Anfang, in Büsum, wie man mir später
berichtete, fing es an.
Meine Eltern hatten schon achtzehn Jahre zuvor geheiratet und trotz des Verzichtes auf verhütende
Maßnahmen war es ihnen scheinbar nicht gelungen, einen anzusetzen.
Wer bei diesen Zeilen der Meinung ist, sie klängen zynisch, hat durchaus recht, kann aber trotzdem
weiterlesen, weil er vielleicht auf der einen oder anderen der nächsten Seiten etwas entdecken wird,
was diese Form von Zynismus begründen kann.
Meine Eltern hatten 1938 geheiratet und 1939 zog mein Vater in den Krieg; da er erst 1949
wiederkam, wenn man von einigen wenigen Treffen imvorübergehend eroberten Ausland absieht,
hatten sie zehn lange Jahre keine Gelegenheit mich zu zeugen.
Wer weiß wozu das gut war?
Wenn man so aus dem Krieg wiederkehrt, wie es mein Vater tat, auf etwa fünfundvierzig Kilogramm
abgemagert, gibt es wahrscheinlich tatsächlich nur noch einen einzigen Lebensinhalt; Essen. So sah er
auch zur Zeit meiner Kindheit aus – mein Vater. Wenn man davon absah, dass er ständig nachts
hochschreckte und mit irgendwelchen Kriegserinnerungen zu kämpfen hatte, schien er wirklich nur
dieses eine Bestreben gehabt zu haben, seine persönliche Leibesfülle zu mehren.
Dann, zweifelsohne nach Jahren der Entbehrung reisten sie - meine Eltern - dann nach Büsum, mit
ihrem Motorroller.
Von meiner Mutter weiß ich, dass sie da mit der dort vorhandenen Pensionswirtin gesprochen hat und
dass diese ihr versichert haben soll, wenn es seit achtzehn Jahren nicht geklappt habe, würde die
Luftveränderung schon das Ihre tun.
Was sie dann auch tat, das heißt, meine Eltern werden sich nicht nur auf die Luftveränderung verlassen
haben, sondern...
Jedenfalls klappte es tatsächlich und meine Mutter hatte neun Monate später so wenig Fruchtwasser,
dass ein Nachbarjunge von seiner Mutter verprügelt worden war, als er behauptete, meine Mutter habe
ein Kind bekommen.
Sicher hatte die Nachbarin in diesem Fall daran gedacht, dass meine Mutter immerhin schon vierzig
Jahre alt war und dass diese Ehe sowieso kinderlos bleiben werde.
Klar hat es Zeiten gegeben, zu denen ich darüber nachgedacht habe, ob ich tatsächlich der Sohn meiner
Mutter bin...
Ich kam, so sagte man, mittels eines Kaiserschnittes zur Welt, was seinerzeit schon eine kleine
Sensation war. Immerhin schrieb man das Jahr 1956 und die derzeit gebräuchlichen Narkosen waren
alles andere als sicher, was auch 12 Jahre später der Fall war, als man meine Mutter nicht an ihrer
Gallenblase operieren konnte, weil sie an einer Hyperthyreose litt, einer Überfunktion der Schilddrüse,
die man mit radioaktivem Jod-131 behandelte, was dann letztendlich zu ihrem frühen Tode im Jahre
1976 im Alter von 60 Jahren geführt hat.
Schon dieser Kaiserschnitt im Jahr meiner Geburt hatte sie fast das Leben gekostet, so wurde mir von
ihr selbst berichtet. Wasser habe sie am Tage nach der Operation getrunken, was dazu geführt habe,
dass ihr Leben vier Wochen auf Messers Schneide gestanden habe, ergänzte mein Vater.
Für meine Mutter war meine Geburt der Anfang vom Ende ihres Lebens, das danach nur noch zwanzig
Jahre weilen sollte, zwanzig Jahre des Leidens und der Entbehrung, denn aufgrund meiner Existenz
hatte sie nie wieder zu jenem ungezwungenen Gleichmut zurückgefunden, für den sie in ihrem ganzen
Bekanntenkreis beliebt gewesen war.
Für meinen Vater müssen die ersten vier Wochen meines Lebens eine absolute Katastrophe gewesen
sein, denn er lebte in der Angst, meine Mutter würde den Krankenhausaufenthalt nicht überleben, was
dazu geführt hatte, dass er nie einen besonderen Kontakt zu mir aufbauen konnte, machte er doch auch
mich unterbewußt für seinen drohenden Verlust verantwortlich. Was hätte er getan, wenn meine
Mutter schon damals gestorben wäre? Hätte er mich zur Adoption freigegeben, oder hätte er mich von
seiner Schwester aufziehen lassen? Was wäre besser gewesen?
Eine Tatsache halte ich in diesem spekulativen Zusammenhang für durchaus bedenkens- und
bemerkenswert. Meine Eltern entstammten beide relativ strenggläubigen katholischen Familien, bei
denen es zur ersten Pflicht gehörte, Neugeborene taufen zu lassen, was für mich erst circa sechs
Wochen nach meiner Geburt der Fall war. Eigentlich lässt dieser Umstand nur eine einzige
Schlussfolgerung für mich zu, das mir bekannte Leben bei meinen Eltern hing seinerzeit an einem
dieser vielstrapazierten seidenen Fäden. Zur selben Zeit war es in anderen streng katholischen
Familien eine Selbstverständlichkeit Neugeborene innerhalb der ersten Lebenswoche taufen zu lassen,
oder sofern es geboten schien, zumindest um des Seelenheiles des Neugeborenen willens, zumindest
eine sogenannte Nottaufe druchzuführen, der dann die normale obligatorische römisch-katholische
Taufe zu folgen hatte.
Wenn ich nun spekulieren würde, was für ein anderes Schicksal alternativ für mich bereitgehalten
worden ist, für den Fall, meine Mutter wäre gestorben...
Zumindest, eines war mir schon zu dem Zeitpunkt meiner Geburt gewis, meine Eltern wurden häufig
für meine Großeltern gehalten, denn sie waren immerhin schon vierzig beziehungsweise
fünfundvierzig Jahre älter als ich.
Im Falle meiner Mutter muss es eine fast schon ausweglose Ambivalenz im Umgang mit meiner
Existenz gegeben haben, denn einerseits ließ sie mich behüteter aufwachsen, als man es sich selbst
heute vorzustellen vermag, andererseits ließ sie kaum eine Gelegenheit aus, mir klarzumachen, ich sei
für all das verantwortlich, was sie zu erleiden habe.
Vielleicht sollte man noch einige Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückgehen, denn alles hat eine
Vorgeschichte, nichts kann Wirkung ohne Ursache sein, oder doch?!
Vielleicht sollte ich wirklich bei der Geschichte meiner Familie anfangen, die ich zu diesem Zeitpunkt
überblicken kann.
Meine Vorfahren sind etwa ein Jahrhundert nach der Bartholomäusnacht aus Frankreich ausgewiesen
worden, zu der Zeit als die bayerischen Illuminaten unter Adam Weishaupt noch gar nicht gegründet
waren. Angesiedelt haben sie sich in der Gegend von Eschwege, wo es insgesamt drei
Hugenottenghettos gab, Frieda, Schwebta und Aue. Die Legende sagt, der Oberguru der Hugenotten,
die sich in der Gegend ansiedeln wollten, habe die Arme ausgebreitet und während er mit dem rechten
Arm eine besitzergreifende Bewegung machte, Friede schwebe über dieser Aue, ausgesprochen, was
zu den drei Namen der Ansiedlungen geführt habe. Wenn es vier Ansiedlungen gegeben hätte, wäre
wohl der Name Über noch durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen.
Jedenfalls gehörten auch die Vorfahren meines Vaters zu den Leuten, die zunächst in den
Hugenottenvierteln lebten und da ihre eigenen Traditionen pflegten.
Der Vater meines Vaters wurde 1873 geboren und hatte den Beruf des Lohgerbers erlernt, was immer
das sein mag.
Na ja, ich kann es mir denken, irgendwie hatten ja viele Berufe seinerzeit direkt mit der Zerstückelung
und Ausbeutung von Tieren zu tun, es gab Berufe, deren Inhaber sich mit diesen Geschäften
beschäftigten. Tiere zerstückeln und zerhacken...
Aber kommen wir nach diesem Exkurs zurück zu meinem Großvater, der ja wie so viele andere ein
Spross seiner Zeit war und vielleicht gar keine Gelegenheit hatte, über die Umstände nachzudenken,
die mir als eingefleischtem Vegetarier zu großen Identitätskrisen verhelfen können; aber dazu werden
wir sicher noch einige Male kommen, zu angewandtem Vegetarismus und dem damit verbundenen
Angriffsziel, das man jenen bietet, die den Verzehr von Mitwesen für völlig normal halten.
Nun kam das Glück in mehrerlei Gestalten in sein Leben - nun geht es wirklich wieder um meinen
Großvater väterlicher seits. Zunächst kam er auf seiner sogenannten Gesellenwanderschaft im Jahre
1898 durch Neheim, was Jahre später Neheim-Hüsten heißen sollte und noch später, ab 1975 Arnsberg
1 hieß, als die Ölmühle brannte. Glück daher, weil er als Fremder scheinbar unerkannt seines Weges
ziehen konnte, denn was wäre naheliegender gewesen, als den Fremden für das Feuer verantwortlich
zu machen, war er doch im Sinne Robert Anton Wilsons der Mann ohne Frau ohne Pferd und ohne
Schnurrbart, zumindest im Jahre 1898, später erfreute er sich einiger Pferde, meine Großmutter als
Frau und eines Bartes.
Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich glaube, mein Großvater Christian habe das
Glück mehrerer Generationen im Vorraus verbraucht, obwohl er eines so abscheulichen
Gewerbes nachging.
Das Ziel meines Großvaters läßt sich heute nicht mehr rekonstruieren, nur blieb er in Allendorf im
Sauerland zwischen Sundern und Finnentrop hängen, weil der dortige Gerber krank war und er den
Betrieb eine Weile betreiben konnte. Zu diesem blutigen Handwerk meines Opas wird weder hier noch
an einer späteren Stelle Stellung genommen, oder vielleicht doch, man kann es sich ja anders
überlegen.
Ich denke, dass mein Opa zu Fuß die B7 von Eschwege bis Neheim-Hüsten gegangen ist und
wahrscheinlich in Neheim gehört haben muss, dass es in Allendorf arbeit für ihn gab.
Mein Großvater, der Christian hieß, wohnte also in Allendorf, genannt Ollepe, und arbeitete dort in der
ortsansässigen Gerberei.
Wie es so üblich war, begegnete man dem Fremden mit Misstrauen und Missgunst, denn es gibt da
eine Begebenheit zu berichten, die ich von meinem Vater erfahren habe und die grundlegend mit der
genetischen Auswahl zu tun hat, die zur Produktion der Nachfahren meines Großvaters geführt hat.
Mit anderen Worten haben wir alle unsere Existenz dem Neid und der Missgunst der Dorfbewohner in
Allendorf genannt Ollepe zu verdanken und ihrer mit Ignoranz gepaarten Brutalität. Es ist schon
erstaunlich, dass man schlechtes wollen und damit gutes bewirken kann.
Mein Opa, im Folgenden Christian genannt, verbrachte einen Abend in der ortsansässigen Kneipe in
Allendorf, um sich ein Bier zu genehmigen. Man bedenke, das Bier wird in den Jahren bis 1954 noch
eine gewichtige Rolle bei der Entwicklung meiner Familie spielen.
Christian trank sein Bier wahrscheinlich schweigsam und in sich gekehrt, denn viele Worte scheinen
nicht zu seinen Stärken gehört zu haben, als er, der Fremde, von einigen Eingeborenen angemacht
wurde. Man kippte ihm das Bier aus, so wusste mein Vater zu berichten und als er auf Kosten des
Störenfriedes ein neues bestellte, spuckte man ihm hinein. Jedenfalls gingen die Provokationen so
weit, dass es zu Handgreiflichkeiten kam, in deren Folge Christian vier der Bauernlümmel
zusammenschlug und gewaltsam aus der Kneipe beförderte. Es wurde berichtet, er habe sie aus dem
Fenster geworfen, was ich für durchaus möglich halte, nicht zuletzt, weil ich weiß, dass das mein Vater
im Jahre 1930 mit seinem Bruder, meinem Onkel auch gemacht hat; alte Familientradition!
Die vier Bauernlümmel waren natürlicherweise in ihrer Ehre gekränkt, so dass sie ihm auf dem
Nachhauseweg auflauerten, um ihm von hinten ein Kantholz über den Schädel zu ziehen, was sein
Glück war, bezüglich der Auswahl des Ortes.
Christian war bewusstlos und hatte zumindest eine schwere Gehirnerschütterung, jedenfalls wurden
die Bewohner des Hauses, vor dem er lag, nachts auf ihn aufmerksam und holten den Verletzten
hinein, um ihn einige Wochen lang gesund zu pflegen.
Die Tochter des Hauses wurde meine Oma, was bemerkenswerterweise schon fast alles ist, was ich
über die Mutter meines Vaters weiß. Na ja, sie hieß Förster mit Nachnamen und war wohl die
uneheliche Tochter meiner Urgroßmutter - ihr Vater war wohl im Ort bekannt, seine Identität ist mir
allerdings verborgen geblieben.
Selbstverständlich mußte Christian noch eine Grundbedingung erfüllen, bevor er meine Oma heiraten
konnte; er mußte seinem Hugenottentum abschwören und Katholik werden, wozu gehörte, dass er
schwor, seine Kinder katholisch zu erziehen.
Der älteste Buder meines Vaters hieß auch Christian und wurde wie seine Schwester Therese genannt
Treschen in Allendorf genannt Ollepe geboren. Weil es mehrere Familien mit gleichem Nachnamen
gab, hießen meine Vorfahren in Ollepe Christions, bezogen auf den Vornamen meines Großvaters.
Man erzählte mir auch, mein Opa habe eine Nähmaschine für meine Oma in Neheim gekauft, die er
mit dem Zug von Neheim nach Sundern befördert habe, um sie dann den Rest des Weges auf seinen
Schultern nach Allendorf getragen zu haben.
Es gibt noch einige andere Beispiele dafür, dass mein Opa ein überdurchschnittlich kräftiger Mann
gewesen sein muß.
So gegen 1905 müssen die Vorfahren meines Vaters dann nach Neheim genannt Neime gezogen sein,
denn alle weiteren Kinder sind in Neheim geboren. Von 1900 bis 1914 bekam meine Oma alle zwei
Jahre ein Kind, dass heißt, die ungeraden Jahre ließ man aus.
Die Geschwister meines Vaters hießen also Christian, genannt Christion; Therese, genannt Treschen;
Antonius, genannt Anton; Anna, genannt Änne; Agnes genannt Achnes; Josef, genannt Jüppken und
Maria genannt Mia.
Das vor den betreffenden Namen immer das obligatorische unser gesetzt wurde, muß wohl an dieser
Stelle nicht extra erwähnt werden.
Unser Gossef, was früher unser Güppchen was.
Das hatte ich fast vergessen, ein "J" wurde bei meiner Familie immer als "G" ausgesprochen und das
"G" als "Ch".
Also hatte unser Achnes unser Tres-chen inner Statt chetroffen.
Und wie dann unser Anton dringend Geld brauchte...
Weil unser Anton Geld brauchte, aber auch einige andere brauchten Geld, obwohl sie keine Miete
bezahlten und erwarteten, alle Investitionen solle mein Vater finanzieren, denn ihm gehöre ja wohl das
Haus. Als Anton Geld brauchte, wurde dann das Haus verkauft und mein Vater bekam einen Anteil
von dreitausend Mark.
Der Regen hat etwas nachgelassen, das gleichmäßige Geräusch des Computers wird zwischendurch
dadurch unterbrochen, dass eine automatische Zwischenspeicherung durchgeführt wird.
Meinen Fingern fällt es schwer diese relativ filigrane Tätigkeit des Schreibens durchzuführen,
nachdem ich den ganzen Tag zuvor mit grober Arbeit beschäftigt war. Ich habe einige Autoteile aus
der Garage geholt, um sie an die Straße zu legen. Teile, von denen ich zur Zeit sicher bin, sie nie mehr
zu brauchen, sei es, dass ich sie doppelt als Ersatzteile habe, oder dass sie in meine
Restaurationsprojekte nicht mehr passen. Ich kann keine Hinterachse eines 520 mit Trommelbremsen
in einen 525 oder 528 einbauen, außerdem habe ich ausreichend passendere Ersatzteile.
Trennungsängste würde mancher Psychotherapeut sagen.
Kann schon sein, würde ich sagen, wenn man bedenkt, dass es mir seit einiger Zeit schwer fällt, ein
einmal gefahrenes Automobil abzugeben. Es wäre sicher vermessen anzunehmen, diese Ängste hätten
mit dem Tode meiner Mutter begonnen, aber es wäre nicht falsch, Trennungsängste voraussetzend,
diese mit meiner Mutter in Verbindung zu bringen.
Drei Jahre auf der Treppe
Wir wohnten in einem Mietshaus, das für fünf Mietparteien konzipiert war, das heißt damals nur für
vier, später wurde dann der Dachboden ausgebaut.
Zwei Jahre vor meiner Geburt war dieses Haus verkauft worden, weil einer meiner Onkel, die schon
Jahrzehnte zuvor das ganze Familienvermögen versoffen hatten, wieder einmal hoch verschuldet war.
Jedenfalls brauchte dieser Onkel dreitausend Mark um seine Schulden zu begleichen.
Wie auch immer, das Haus wurde für sechsundzwanzigtausend Schienen verkauft und die Kohle unter
den Geschwistern meines Vaters, die noch nicht geerbt hatten, verteilt - meine Eltern kauften sich für
diese dreitausend Mark einen Motorroller, Vespa oder so; nein tatsächlich handelte es sich um einen
Goggo von der Firma Glas.
In diesem verkauften Haus wuchs ich auf, und das achtzehn Jahre lang.
Als ich drei Jahre alt war, wurden die beiden Ulmen, die zur Rechten und zur Linken des Einganges
standen, gefällt und die Haustür samt Treppe modernisiert, mit anderen Worten hatte man nicht nur die
Bäume beseitigt, sondern auch den Treppenaufgang, der von zwei Seiten aus begehbar war und auf
dessen Plattform eine Bank stand, in einen Zustand versetzt, wie er dem allgemeinen Zeitgeschmack
entsprach, der Ende der fünfziger - Anfang der sechziger Jahre vorherrschte.
Die Treppe hatte dann, zumindest bis ich zur Schule ging, eine besondere Bedeutung für mich, auch
wenn ich einen Teil meiner diesbezüglichen Informationen von Frau Bertram bezogen habe, die rechts
unten, also links hinter der Haustür wohnte. Wir wohnten im ersten Stock und wenn ich aus der Küche
kam, brauchte ich mich nur nach rechts zu wenden, um die Treppe innerhalb des Hauses
hinunterzugehen. Man kam da direkt auf die Haustür zu, hinter der sich die Haustreppe befand, die
auch heute noch aus fünf Stufen besteht.
Auf dieser Treppe habe ich drei Jahre gesessen!
Meine Mutter war mit meiner Anwesenheit nicht sehr zufrieden, zumindest waren ihre Gefühle im
Zusammenhang mit meiner Person äußerst ambivalent, denn ich hatte die Dreistigkeit besessen, sie
nach achtzehnjähriger Ehe, durch meine bloße Anwesenheit aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen.
Meine Eltern hatten 1938 geheiratet und mein Vater war 1939 aufgebrochen um nach Osten zu ziehen,
Land erobern, um erst 1949, unverrichteter Dinge, aber um einige Erfahrungen reicher,
zurückzukehren. Um Erfahrungen reicher war inzwischen auch meine Mutter... aber das später.
Meine Mutter war also durch meine unerwartete Anwesenheit nicht nur über die Maßen beglückt,
sondern verstand es äußerst geschickt, mir klarzumachen, meine Anwesenheit bringe nicht nur ihr
ganzes Leben durcheinander, sondern, ich sei ihre ganze Krankheit, denn krank wäre sie vor meiner
Geburt nie gewesen.
"Du bist meine ganze Krankheit! Wenn ich dich nicht hätte, ginge es mir gut!"
So kam ich schon früh zu der Erkenntnis, ich wäre jemand, der etwas bewirken könne.
Auf dieses Bewusstsein führe ich auch meine Erfahrung zurück, die ich im Alter von etwa vier Jahren
hatte.
Ich saß nicht auf der Treppe, denn es war Sonntag, einer dieser wenigen Sonntage, an denen auch mein
Vater zu Hause war.
Ich saß also auf dem Fußboden in der Küche, in der sich ohnehin das ganze Familienleben abspielte,
vom Baden bis zum Bumsen meiner Eltern, denn wenn sie gebumst haben, dann nur in der Küche,
denn im Schlafzimmer schlief ich.
Das Wetter muß gut gewesen sein, denn ich erinnere mich, helles Licht zum Fenster hereinkommen
gesehen zu haben, was schon eine Seltenheit war, war doch die Küche nicht nur der größte, sondern
auch der dunkelste Raum unserer Zweizimmerwohnung.
Was ich da erlebte war eine Art überfallartiges Icherlebnis, vielleicht der bewusste Eintritt in die
autonome Phase, von einer Sekunde zur anderen; so würden zumindest Freudianer argumentieren.
Ich saß also in der Küche, inmitten meiner Spielsachen, auf dem Boden, blickte zum Fenster auf und
wurde ganz plötzlich ich.
Alles was andere Personen waren, meine Eltern wurden diffuse Schatten - ich fühlte mich als
Intellektueller, der von züchtigen Bürgern der Unterschicht aufgezogen werden sollte und ich fühlte
mich uralt, weise und überlegen, ohne diese Begriffe überhaupt zu jener Zeit gekannt zu haben.
Es war der Augenblick, denn länger dauerte es nicht, in dem ich erstmals klar zu denken vermochte
und ich hoffe, es ist nicht der letzte Augenblick geblieben.
Aus heutiger Sicht kann ich natürlich viele Erklärungsversuche starten, ohne dem tatsächlichen
Geschehen damit auch nur annähernd näher zu kommen; also lasse ich es sein.
Drunvalo Melchizedek würde vielleicht vermuten, ich sei ein Walk-In.
Wegen der plötzlich auftretenden Helligkeit, mit der dieser Vorgang von statten ging, könnte man auch
eine Erscheinung annehmen, wie sie Saulus vor Damaskus hatte, oder die Kontaktaufnahme eines
Geistwesens. Vielleicht war es auch nur ein bewusster Abschied von dem bis zu dieser Zeit vorhandenen
Wissen aus vorherigen Leben oder auch der letzte bewusste Gedankenfunke vor dem Verlust des
Wissens um die Dinge, die geschehen, wenn man sich zwischen den einzelnen Inkarnationen befindet...
Ich kann noch nicht einmal behaupten, dieser Tag wäre der Beginn eines bleibenden
Erinnerungsvermögens gewesen, auch wenn ich mit Sicherheit weiß, dass mich viele andere Menschen
aufgrund meines außergewöhnlichen Gedächtnisses beneiden. Leider scheint es tatsächlich so zu sein,
dass es einige wenige Tage in meinem Leben zu geben scheint, von denen mir Stunden in meinem
Gedächtnis fehlen, als habe sie jemand gelöscht, wie man es bei einem Computer macht. Nur glaube
ich immer noch an die Reversibilität dessen, was ich in meinem Leben erlebte, eben aufgrund der
Tatsache, dass ich eigentlich noch alles weiß, was mich irgendwann einmal beschäftigt hat und weil
ich weiß, dass man bestimmte Programmgruppen von Datenbänken in Computern nicht so ohne
Weiteres zu löschen vermag, weil sie dermaßen zu sehr vernetzt sind, um wesentliche Teile des
Datengefüges nicht wiederherstellen zu können. Fragt sich nur, wer die Daten in meinem Biocomputer
zu löschen versucht hat.
Dieser Augenblick, an den ich mich so genau erinnere, gleichsam das Erwachen meines Intellektes von
jetzt oder später, zeigte mir jedenfalls schon damals und für die kommenden Jahre, dass die Welt nicht
mit den fünf Sinnen zu erfassen und zu begreifen ist.
Doch zurück zu dem Kind, das ich vor und nach dem Augenblick war und zurück zu der Treppe, auf
der ich saß, drei Jahre lang, immer dann, wenn meine Mutter meinte, dass ich draußen spielen solle.
Du bist doch ein Stubenhocker!
Sie war der Meinung, ich würde immerzu in der Stube hocken, anstatt zu irgendwelchen Taten
aufzubrechen, ohne zu realisieren, wer allein die Ursache für mein Stuben - und Treppenhockertum
war.
Sie sagte nämlich auch noch andere Dinge zu mir, von denen an dieser Stelle nur wenige erwähnt
seien.
Ich laufe weg!
Ich geh' ins Wasser!
Beim Wasser ergänzte sie dann, sie wolle in den Mühlengraben springen, weil sie da sicher sein
könne, zu ertrinken, denn der Mühlengraben sei tiefer und die Strömung sei stärker als bei Ruhr und
Möhne. Dieser Mühlengraben zweigte an der sogenannten Schlacht von der Möhne ab, um kurz vor
dem Ruhrmöhneeck, der Stelle an der die Möhne in die Ruhr mündete, in die Möhne zurückzufließen.
Dieser Mühlengraben war ein künstlich angelegter Flusslauf dessen Wasserdurchlass man an der
erwähnten Schlacht regulieren konnte. Die Breite betrug drei bis vier Meter und die Tiefe an keiner
Stelle unter zwei. Was noch erschwerend hinzukam, waren die steilen künstlich angelegten Ufer und
die Tatsache, dass, so wurde gemunkelt, in der Firma Bröckelmann, die vom Mühlengraben
durchflossen wurde, worin wohl auch noch der einzige wirkliche Sinn dieses Grabens bestand,
irgendwelche Mahlwerke dazu geeignet waren, einen, wenn man bis dahin noch nicht ertrunken war,
was äußerst unwahrscheinlich zu sein schien, einen in mehrere Teile zu zerschneiden, oder zu
zerquetschen, was wohl noch schlimmer zu sein schien.
Was sollte ich machen, angesichts dieses über mir schwebenden Damoklesschwertes des Suizides
meiner Mutter?
Was sollte ich unternehmen, war ich doch die Ursache ihrer Depressionen, denn erst seit es mich gab,
war sie krank geworden, hatte ihr Leben eine schlechte Wende genommen, war doch in mir alles
manifestiert, war doch nur ich ihre ganze Krankheit.
Da nützte es auch nicht, dass ich schon in diesem frühen Alter versuchte, alle Schuld von mir zu
weisen, den Verursacher in Gestalt des Klapperstorches für dieses Leiden meiner Mutter
verantwortlich zu machen.
Eine zwölf Jahre ältere Cousine erklärte mir, der Klapperstorch werde nicht von sich aus aktiv,
sondern müsse von potentiellen Eltern bestellt werden, was für mich einleuchtend klang, hatten doch
immer wieder Erwachsene in meiner Gegenwart gesagt, Dingenskirchens haben sich was Kleines
bestellt. Klar, was Kleines konnte nur ein Kind sein und die Bestellung gab man beim Klapperstorch
auf.
Nach Annegrets Meinung mußte man Zucker oder Salz auf die Fensterbank streuen und bekam wenn
man Zucker genommen hatte eine Schwester und wenn man Salz nahm einen Bruder. Schon damals
mochte ich Zucker lieber als Salz und empfand die ganze Angelegenheit als eine eindeutige
Diskriminierung meiner Geschlechtsgenossen.
They called me Sue, what could I do?
Das einzige was ich tun konnte, um ein baldiges Dahinscheiden meiner Mutter zu vermeiden und
trotzdem kein Stubenhocker zu sein, war, auf der Treppe sitzen zu bleiben, um das Schlimmste zu
verhindern.
Und der Erfolg gab mir recht.
Meine Mutter lebte noch bis ich zwanzig Jahre alt war und starb einen iatrogenen Tod.
Trotzdem war ihr Tod meine Schuld.
Meine Existenz hatte meiner Mutter so viel Leid und Ärger bereitet, dass sie diesen Schilddrüsenkrebs
bekam.
Heute weiß ich zwar die genaueren Zusammenhänge, deren Umstände mich von jeder Schuld
freisprechen. Man konnte sie in den sechziger Jahren nicht an einem Gallenstein operieren, weil sie
eine Überfunktion der Schilddrüse hatte und daher keine Narkose vertragen konnte, so wurde gesagt.
Klar konnte man auch aus diesem Grund keine operative Schilddrüsenverkleinerung durchführe. Also
gab es nur eine einzige Methode, ihre Schilddrüsenüberfunktion zu beeinflussen, die Behandlung mit
radioaktivem Jod-131, die dazu führte, dass aufgrund der radioaktiven Strahlung die Schilddrüse zum
Teil zerstört wurde, was zu einer geringeren Hormonproduktion führte, wodurch ihre Hyperthyreose
behoben war.
Nun konnte man also ihre Galle operieren und entfernte tatsächlich einen ziemlich großen Gallenstein.
Die Galle wurde 1965 operiert und das Schilddrüsenkarzinom 1975 festgestellt, an dem sie am
05.08.1976 starb, nachdem sie wirklich all die Qualen durchlitten hatte, von denen sie mir immer
zuvor über Jahre hinweg berichtete.
Also war sie aufgrund ärztlicher Eingriffe gestorben, das war mir klar. Hätte man sie nicht mit
radioaktivem Jod verstrahlt, hätte sie dieses Carzinom nicht bekommen und wäre dann auch nicht
daran gestorben. Doch warum hatte man sie überhaupt behandelt?
Wegen der Gallensteine!
Und wer war dafür verantwortlich, dass sie Gallensteine hatte?
Das konnte doch nur ich sein, hatte ich doch mein Leben lang nie etwas anderes gehört, als:
Du bist meine ganze Krankheit! Seit dem ich dich habe, geht es mir schlecht! Du bringst mich noch ins
Grab!
Meine Mutter hatte recht behalten.
Vielleicht hätte ich nur weiter auf der Treppe sitzen müssen, um dieses Ende zu verhindern!?
Als ich auf der Treppe saß, konnte meiner Mutter nichts geschehen, denn wenn sie das Haus verließ,
my home is my castle, konnte ich sie begleiten und somit verhindern, dass sie in den Mühlengraben
sprang. Ich war nämlich sicher, dass sie nicht springen würde, wenn ich bei ihr war - andererseits hätte
ich auch gut hinterherspringen können, dessen war ich mir absolut sicher.
Trotzdem beschlich mich immer eine unbeschreibliche Angst, wenn wir spazieren gingen und die
Brücke über den Mühlengraben passierten, erleichtert war ich immer erst, wenn die Brücke mindestens
einhundert Meter hinter uns lag.
So wuchs ich unbeschwert heran, eine schöne und beschauliche Kindheit...
Katastrophal wurde es als ich eingeschult wurde. Wie sollte ich auf meine Mutter aufpassen und
gleichzeitig in die Schule gehen? Wenn ich in der Schule war, konnte ich nicht den Fortgang meiner
Mutter verhindern.
Die alte Frau Bertram kam mir zur Hilfe. Sie versprach mir, auf meine Mutter aufzupassen, wenn ich
in der Schule war.
Wie hätte ich mich ohne diese Frau in die Schule wagen können?
Wahrscheinlich gar nicht!
Somit hatte ich Frau Bertram meine schulische Ausbildung zu verdanken, wenn ich auch im
Nachhinein nicht behaupten kann in der Schule etwas wichtiges gelernt zu haben; mit Ausnahme des
Schreibens, mit Ausnahme des Aneinanderreihens von zweiundfünfzig Symbolen einschließlich des
Leerzeichens.
Doch sollte es einen Sinn ergeben, so hatte man zumindest in der Schule gefordert.
Der Regen hat sein Bombardement nun gänzlich eingestellt und die Luft ist klar, so klar, wie sie nur in
den seltensten Fällen ist. Ein Trecker fährt vorüber, einer jener Trecker auf denen die Bauern ein
ungesichertes Gewehr liegen haben, im Dorf der dreckigen Vögel.
Dreckige Vögel baden im Teich. Es scheint Tage zu geben, an denen Vögel dreckiger sind; so wie es
Tage gibt, an denen sie sauberer sein müssen, wenn es regnet zum Beispiel. Wenn es nicht regnet
haben sie nur unseren Gartenteich als Freibad zur Verfügung.
Gestreifte Hunde liegen im Garten.
Im Dorf der dreckigen Vögel ist immer Westerntime. Auf landwirtschaftlich genutzten Maschinen
sitzen Männer, die wahrscheinlich noch vor zwanzig Jahren einen Hut aufgehabt hätten, und haben ein
geladenes und entsichertes Gewehr neben sich liegen - manche haben auch noch einen Hut auf dem
Kopf. Wer im Dorf der dreckigen Vögel wohnt sollte sich sicherheitshalber einen Waffenschein
besorgen, um legitimerweise über eine Waffe zur Verteidigung zu verfügen. Sicher ist es ein
schwieriges Unterfangen an einen Waffenschein zu kommen, wenn man nicht gleichzeitig über einen
Traktor verfügt, aber was tut man nicht alles zu seiner eigenen Sicherheit.
Eigentlich geht es mir hier mehr um die Sicherheit der Hunde. Nachdem im Dorf der dreckigen Vögel
wiederholt durch traktorfahrende Eingeborene mit der Erschießung unserer Hunde gedroht wurde,
entschlossen wir uns, einen älteren gebrauchten Traktor zu erwerben.
Im Sommer hört man in der Nachbarschaft, im Dorf der dreckigen Vögel, die Menschen ihr Leid
klagen.
"Diese Hitze! Diese Sonne! Wenn es noch heißer wird, müssen wir eben in den Keller gehen!"
Wir haben keinen Keller, wir können daher nur unter unseren Bäumen sitzen, ohne Probleme mit der
Hitze zu haben. Hinter vorgehaltener Hand hört man die Leute im Dorf der dreckigen Vögel immer
wieder über den Schatten unserer Bäume klagen.
"Diese Bäume von den Leuten, die anders sind, nehmen uns unser ganzes Licht!"
In der Ferne verklingt das Geräusch des Treckers.
Man hört das leise Tapsen sauberer Vögel auf dem Dach.
Ein Blick nach links zeigt mir Erhards alten BMW 525, den Georg und ich ihm im Jahre 1986 oder
1987 gesucht haben. Ein Blick in den Schreibtisch verschafft mir Gewissheit, wir haben nach
Weihnachten 1986 alle bekannten und weniger bekannten Gebrauchtwagenhändler aufgesucht, weil
wir uns absolut sicher waren, ja weil wir von dem Gedanken nahezu besessen waren, ein
Automatikgetriebe kriegt Erhard nicht kaputt, nicht wie er es mit jeder Kupplung bisher geschafft
hatte. Am 07.01.1987 wurde der grüne BMW 525 auf Erhards Namen zugelassen, genau ein Jahr vor
der ersten Inbetriebnahme unserer Heizung im Dorf der dreckigen Vögel.
Erhard hatte zuvor einen Opel Rekord Caravan 1900 gefahren, den er aber abzugeben gedachte, wegen
der kaputten Kupplung und weil der sowieso nicht mehr durch den TÜV gehen würde. Diesen Caravan
hatte er uns geschenkt, weil wir einen Transporter brauchten wegen unseres Umzuges in das Dorf der
dreckigen Vögel und weil wir da ja noch das ehemalige Stallungsgebäude von Naishas Vater in einen
bewohnbaren Zustand versetzen mussten.
Jedenfalls fuhr Erhard den grünen BMW bis er das Automatikgetriebe so weit geschafft hatte, dass der
Wagen nur noch auf ebenem Untergrund rückwärts fahren konnte. Wir ließen uns auch diesen Wagen
schenken, weil wir im Winter besser in das Dorf der dreckigen Vögel fahren konnten, wir mussten
immerhin die Steigung der Haar bewältigen, was wir mit unserem 528i nicht schaffen konnten, weil
der sein Drehmoment zu vehement auf die Straße beförderte. Erhards 525 diente uns einige Winter.
Jetzt steht er im Regen, der BMW, Erhard sitzt wahrscheinlich zuhause.
Nachdem er seit gut drei Jahren mit seinem Vorgänger in der Garage gestanden hatte, holte ich ihn
heute ans Tageslicht zurück. Ich muss nur noch feststellen, welche Teile des Vorgängers ich in ihn
integrieren muss, um einen guten E12 zu erhalten.
Vielleicht sollte ich wegen des nun gänzlich fehlenden Regens draußen eine Runde mit der
Videokamera drehen, für die Nachwelt.
Weil ich Tags zuvor wegen des Fehlens der Kamera einige mit Sicherheit sehr gute Szenen verpasst
habe, als wir mit dem Hund am Möhnesee waren, der zur Zeit so weit von seinen Wassermassen
befreit ist, dass man in Bereichen herumspazieren kann, in die man ansonsten nur mit Tauchausrüstung
vorzudringen vermag, saß ich nun auf einem Stein, an dem die ansonsten schwimmende Boje befestigt
war und sah wie langsam und geräuschlos ein einsamer Segler vorüber glitt, im Hintergrund die
Mauer, die 1908 erbaut wurde, um Trinkwasser für die Umgebung und einen gleichmäßigen
Wasserstand für das Ruhrgebiet zu erreichen. Die Sonne schien und tauchte die ganze Szenerie in ein
Licht, das einen schnell vergessen ließ, in eine warme Jacke gehüllt zu sein. Wir befanden uns an dem
Teil des Sees, den man in Fachkreisen als Pornobeach bezeichnete. Mir fielen einige Ereignisse ein,
die ich mit dem Pornobeach in Verbindung brachte, die fast alle etwas mit Sex zu tun hatten, mehr
oder weniger, und dann fiel mir mein Traum von der vorangegangenen Nacht ein.
Es handelte sich um eine Art Treppenhaus, in dem ich nach oben ging. Treppen, die mehrere
Stockwerke miteinander verbanden und aus Holz gefertigt waren. Nicht nur auf den Stufen, sondern
auch am Geländer war die Farbe wegen der häufigen Benutzung über Jahre hinweg abgewetzt. Auf
dem oberen Treppenabsatz stand mein Bett.
Ich zog mich vollständig aus, legte mich hin und wickelte mich förmlich in meine Decke ein. Erst im
Liegen, während ich die Decke um meinen Körper wickelte, bemerkte ich die erhebliche Erektion, zu
der sich mein Schwanz aufgerichtet hatte.
Noch während ich darüber nachdachte, bemerkte ich, dass jemand an mein Bett getreten war.
Jemand ergriff durch die Decke meinen Schwanz und setzte sich, den Schwanz loslassend auf die
Bettkante und zerrte derart an der Decke...
Schon Sekunden später lag sie falsch herum neben mir. Das Licht war nicht sonderlich hell, so dass ich
sie nicht sofort erkennen konnte.
Wieder ergriff sie durch die Decke meinen Schwanz und versuchte ihn mit einiger Kraft nach unten zu
drücken, was die Heftigkeit meiner Erektion noch weiter verstärkte.
Ich richtete mich auf und schob die Decke, unter der sie nun lag langsam und vorsichtig zur Seite.
Diese Frau schien außergewöhnlich groß zu sein. Ihre langen Beine waren unbekleidet. Meine Hand
glitt an ihrem linken Schenkel empor, an ihrem Hintern entlang, der ebenfalls unbekleidet war, entlang
an ihrer nackten Taille, bis zu dieser kurzen Bluse, die sie trug.
Diese Bluse war vorne aufgeknöpft, doch bedeckte sie ihre Brüste vollständig. Diese Frau hatte dunkle
Haare auf dem Kopf und unter dem Nabel. Sie hatte grazil ihre Beine angewinkelt und so
nebeneinandergestellt, dass ich keine Möglichkeit hatte, dazwischen zu sehen, oder dazwischen zu
greifen.
Diese helle Bluse, die sie trug, beschäftigte mich gedanklich mehr, als ihr haariges Dreieck, vielleicht
weil die Brüste von der Bluse bedeckt waren?!
Obwohl ich andererseits absolut sicher war, kleine, kaum ausgeformte Brüste vorzufinden; doch
andererseits bin ich eigentlich genau der Typ, der auf große stramme Möpse steht.
Irgendwie wurde mir klar, dass ich mich in der Handlung eines irrationalen Traumes befand.
Klick!
Weiter ging es nicht!
Warum müssen Träume immer dann aufhören, wenn es interessant wird?
An wen hatte mich diese Frau erinnert? Es dauerte Minuten, bis es mir dämmerte; was mich dann aber
erschreckte, denn mit der Frau aus meiner Erinnerung hätte ich niemals sexuelle Beziehungen
unterhalten können, weil sie mich in keiner Weise und zu keiner Zeit reizte.
Sollte dieser Traum etwa bedeuten, dass man es mit jeder Frau treiben konnte, wenn man einen
Ständer hatte?
Vielleicht!
Kurze Zeit später fuhr ich mit einem Fahrrad durch Paderborn.
Nackt!
Es musste kurz vor Sonnenaufgang sein und es war noch niemand auf den Straßen unterwegs.
Auch diese Traumsequenz ging schnell zu Ende.
Das Motorboot mit dem Namen Möhnesee schob sich langsam von links kommend zwischen dem
einsamen Segler und der Staumauer in mein Blickfeld, ebenso lautlos und majestätisch wie der Segler.
In der Ferne konnte ich die Motorgeräusche der Fahrzeuge auf der anderen Seite des Sees vernehmen
und das Kreischen der Krähen, die in den Bäumen nahe des Ufers hockten und nur darauf zu warten
schienen, dass wir uns mit dem Hund entfernten, weil sie vielleicht doch noch einen essbaren
Muschelinhalt zu finden erhofften.
Aber hätte man eine solche Stimmung mit einer Videokamera einfangen können?
Mir ist bewusst, nicht Truffeaut zu sein, keine kafkaesken Szenen drehen zu können, aber schreiben...
Ja vielleicht sollte es mir gelingen solche Szenen zu beschreiben, eine entsprechende Stimmung beim
Leser zu erzeugen...
Erinnerungen.
Ich suchte nach Erinnerungen, in der Hoffnung sie unterscheiden zu können, in der Hoffnung mit
Sicherheit die Erinnerungen des Selbsterlebten von denen des Fremderlebten unterscheiden zu können.
In einer Beziehungskrise im Jahr 1979 war ich einmal zu einem Spaziergang mit Bernd hier am
Pornobeach. Bernd war damals so orientierungslos wie heute, auch wenn er es selber sicher ganz
anders sah und sieht. Aufgrund seiner selbst inszenierten und genossenen depressiven Verstimmungen
haben wir ihm zum vierzigsten Geburtstag die beiden Videos von Douglas Adams Per Anhalter durch
die Galaxis geschenkt, weil er mich immer an den Roboter Marvin erinnert, der sowohl im Film, als
auch im Video die gleiche tragisch tragende Rolle spielte. Wir waren damals mit meinem GSE-Coupe
zu Pornobeach gefahren um ein wenig spazieren zu gehen, es war Ende September Anfang Oktober
und die Temperaturen waren nicht sonderlich warm, in diesem Jahr 1979; ich muß ihm wohl die eine
oder andere Geschichte erzählt haben, die zu dem Namen Pornobeach geführt haben, angereichert mit
eigenem Erleben.
Jahre zuvor.
Ich hatte den Rest des Nachmittags frei und es schien seit nunmehr fast zwei Stunden die Sonne
beständig ohne durch Wolkenformationen in ihrem Handeln unterbrochen worden zu sein. Daher rief
ich Nora an und verabredete mich mit ihr am Pornobeach des Möhnesees. Pornobeach hiess dieser Teil
des Sees - eigentlich nur eine Bucht mit anschliessender Landzunge - weil Ende der sechziger-und
Anfang der siebziger Jahre hier ein Eldorado der Leute gewesen war, die es vorzogen, ihren nackten
Körper der Sonne und dem Wasser auszusetzen. Was den damaligen Reiz des Pornobeach ungemein
verstärkte, waren regelmässige Auftritte oder Aufmärsche der polizeilichen Ordnungshüter, die das
Ziel hatten, Personen, die unzureichend bekleidet waren, mit einer Anzeige zu behaften.
Ich parkte den VW auf dem Parkplatz hinter der Delecker Brücke und ging gemütlich den Weg zum
Wasser, der durch einen Teil des Arnsberger Waldes führte.
Nora brauchte ich nicht zu suchen, sie lag unter einem Baum, der sicher schon seit einer halben Stunde
keinen Schatten mehr spendete. Der `Beach' war relativ gut besucht, weil die meisten Leute es liebten
in der prallen Sonne zu liegen und diverse Chemikalien auf die Haut zu schmierten, um keine
UV-Schäden davonzutragen.
Manche hatten auch aus der Not eine Tugend gemacht und sogenannte Bodypainter hatten sofort eine
Marktlücke entdeckt. Da die bisher angebotenen Lichtschutzfaktoren nicht mehr ausreichten, war man
zu Bodypaintings übergegangen. Der ganze Körper, zumindest der Teil, den man der Sonne aussetzten
wollte, wurde mit grellen Farben bemalt. Einige der Bodypainter hatten es zu einer wahren
Meisterschaft gebracht und es war schadezu wissen, dass diese Kunstwerke am Abend unter der
Dusche mit speziellen Reinigungsmitteln abgewaschen wurden.
Allerdings konnten sich viele Leute gar nicht vorstellen, wie wenige Jahre es erst her war, als bekannt
wurde, welch verheerende Ausmasse die Zerstörung der Ozonschicht bereits angenommen hatte.
Nora hatte, da sie wusste, was ich in meinem Käfer so alles mitführte, oder genauer gesagt, nicht
mitführte, eine Liegedecke und Handtücher mitgebracht, ausserdem eine Reisetasche, die halb geöffnet
vor ihr stand, in der ich einen Stapel Bücher ausmachen konnte.
Ich zog mich aus und legte mich neben Nora, die man nur als nahtlos weiß bezeichnen konnte.
Wortlos begann sie, mich mit irgend einem farblosen Zeug gegen UV Schäden einzuschmieren.
"Die Bücher sind nur eine kleine Auswahl dessen, was ich besorgt habe, der Rest ist nicht minder
interessant! Ich glaube, diese Dipomarbeit ist meiner würdig!"
Ich hob die Augenbrauen.
"Es ist so komplex, das einem schwindelich werden kann! Du glaubst gar nicht, was man im
Zusammenhang mit Außerirdischen und UFO-Sichtungen oder dergleichen alles berücksichtigen
muss!"
Sie sah mich bedeutungsvoll an und legte die Tube mit der Chemie zur Seite.
Während ich versuchte mich zu entspannen, fuhr sie fort.
"Zunächst einmal muss man bei allen Arten von nichterklärbaren Phänomenen zwischen drei
Hauptgruppen unterscheiden."
Ich richtete mich etwas auf.
"Die erste Gruppe von Phänomenen kann man allgemein als esoterische Phänomenengruppe
zusammenfassen..."
"Aber was hat das mit dem Thema deiner Diplomarbeit zu tun?"
"Zunächst einmal nichts, weil wir uns erst einmal mit nicht erklärbaren Phänomenen beschäftigen und
da sind die Außerirdischen nur als eines zu verstehen!"
"Na gut, ich höre dir zu!"
"Zu der esoterischen Phänomenengruppe gehören alle Erscheinungen religiöser Natur, Madonnen,
Engel, Teufel, Dämonen!"
"Die Reihe, die du gerade aufgezählt hast, könnte einige christliche Würdenträger auf die Barrikaden
bringen, immerhin gehören Teufel und Dämonen ja wohl zur Gegenseite!"
Nora richtete sich auf und sah sich auffällig um.
"Na, ja, kirchliche Würdenträger werden wohl kaum in der Nähe sein!"
"Meinst du, es wäre erforderlich, so weit abzuschweifen?"
"Wenn du es genau wissen willst, muss ich dir etwas gestehen. Ich habe mich nur auf das unbedingt
Erforderliche konzentriert."
"Gut, du hast noch keine Gelegenheit gehabt, mir die beiden restlichen Phänomenengruppen
vorzustellen!"
"Richtig, die zweite Gruppe kann man als die scientistische bezeichnen. In ihr sind alle
Erklärungsmodelle zu finden, die in irgendeiner Form eine wissenschaftliche Deutung bieten, oder zu
bieten versuchen."
"Was du mir bis jetzt geboten hast, würde ich nicht als Phänomenengruppen, sondern als
Erklärungsmodelle verstehen! Aber handelt es sich tatsächlich um die gleichen auslösenden
Erscheinungsphänomene?"
"Ja, die Angelegenheit hat etwas mit Wahrnehmungspsychologie zu tun!"
"Wahrnehmung ist äußerst subjektiv!"
"Richtig, sieh dir die Frau da drüben unter der Decke an! Sie ist von der Decke bedeckt und bewegt
sich!"
"Stimmt! - Stimmt auffällig!"
"Kommen wir nun zur Wahrnehmungspsychologie! Aufgrund deiner beginnenden Erektion kann ich
vermuten, was du wahrnimmst, zumindest etwas anderes als ich."
"Ach!"
"Ja, ach! Die Frau zieht sich nur einen trockenen Badeanzug unter der Decke an, weil sie es nicht in
der Öffentlichkeit machen will! Wahrscheinlich weiß sie sehr genau, wie schnell sich Kerle an ihrem
Körper aufgeilen können und will es verhindern. Jedenfalls masturbiert sie sicher nicht!"
"Nein?! Schade!"
"Kommen wir nun zu einer anderen Wahrnehmung!"
Die Frau zog die Decke weg und hatte tatsächlich keinen Badeanzug an, ich sah weg.
Nora beugte sich nach vorn und sah somit nicht, dass die besagte Frau splitternackt war.
Nora zog sich ein T-Shirt an.
Auch das noch!
"Hörst du mir überhaupt zu?"
"Ja, natürlich!"
Tatsächlich hatte ich Konzentrationsprobleme, konnte meine Augen nicht von Nora lassen, die dieses
T-Shirt trug und sonst nichts.
Ich drehte mich um, legte mich auf den Bauch und hatte somit mehrere Fliegen mit einer Klappe
geschlagen, einerseits konnte ich meine Blicke von Noras Bermudadreieck fernhalten und lag auf dem
Bauch, um meine Hydraulik einfach wegen meines hohen Gewichts versagen zu lassen.
"Sehen wir uns einfach `mal die Erscheinungen der weissen Frau in dem engen Raumanzug an. Sie ist
hell gekleidet und..."
"Können wir nicht ein anderes Beispiel nehmen, ich meine ohne Frau..."
"Ach! Du scheinst im Moment nicht sehr aufnahmefähig für diese Thematik zu sein!"
"Das stimmt wohl!"
"Es hat wohl auch keinen Sinn, dich ins Wasser zu schicken, um dich abzukühlen!"
Mit schnellen Griffen warf sie eine Decke über mich und schubste mich so weit weg, dass ich auf einer
Seite zu liegen kam.
Ohne auf meinen protestierenden Gesichtsausdruck zu achten, ergriff sie meinen Schwanz und zog
mich zu so sich, dass ich über ihr zu liegen kam.
Die Decke bedeckte nun auch Nora.
Ich gewahrte ihre gespreizten Beine und realisierte dieses Wahnsinnsgefühl des Eindringens.
Ich schloss die Augen und ließ lautstark die Luft aus meiner Lunge entweichen.
Noras Arme hatten sich um mich geschlungen und hielten mich so beharrlich fest, dass ich nur zu
winzigkleinen Bewegungen fähig war.
"Hatte ich dir eigentlich von Katharinas Anruf berichtet? Sie macht Fotos in Soest!"
"Was für Fotos?"
"Für Penthouse!"
"Nora!"
Vielleicht sollte ich es als Fehler einordnen, Bernd dieses Erlebnis zu schildern, andererseits hätte ich
ihm ja auch die Geschichte mit meinem misslungenen Sonnenbrand erzählen können, die sich exact im
Juni 1976 an gleicher Stelle abgespielt hatte.
Es war während meiner Ausbildung in Soest gewesen, damals als ich mit Christiane zusammen war. In
Christianes Kurs war auch Annegred und die war mit Axel zusammen. Weil wir nun einen
Wochenendtag mit Axel und Annegred verbringen wollten, hatten wir uns mit ihnen, höchst seltsame
Zeit für einen Tag am Wochenende, für acht Uhr morgens verabredet, um zusammen zum Pornobeach
zu fahren. Die Erlebnisse dieses denkwürdigen Tages sind auch dafür verantwortlich, dass ich alle
weiteren Unternehmungen nur noch unter Verwendung eines eigenen fahrbaren Untersatzes über mich
ergehen ließ.
Nur eines hatte ich für diesen Tag sinnvoll organisiert, nämlich die Mitnahme des notwendigen
Lesestoffes; Lin Carters Callisto-Zyklus. Für Nahrungsmittel und Getränke hatten Annegred und
Christiane gesorgt, wobei Axel auch einige Flaschen Bier mitgenommen hatte.
Wir fuhren, was ein gravierender Fehler war, mit Axels Simca 1300 und waren dadurch auch
bezüglich des Rücktransportes auf diesen Simca und Axel angewiesen.
Die Gespräche waren belanglos und der Roman den ich las, einer der Callisto-Romane von Lin Carter,
dazu geeignet, einem die Zeit angenehm zu vertreiben und danach relativ schnell wieder vergessen zu
werden. Was man allerdings nicht so schnell mehr vergessen konnte, war der Sonnenbrand, den ich
mir auf dem Rücken eingehandelt hatte. Ohne Sonnenschutz und ebenfalls ohne irgendeine Einsicht
hatte ich mich - wie auch die anderen - den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt.
Am Abend im Personalwohnheim des Krankenhauses in dem ich wohnte, musste ich allerdings
feststellen, dass auch dieser Sonnenbrand - nur auf dem Rücken - gründlich misslungen war, hatte
doch Jörg Oertel eine gleichmäßige tiefrote Verfärbung, die den ganzen Körper betraf. Er glänzte wie
Arnold Schwarzenegger vor dem Posing - Magdalene hatte ihn vollständig millimeterdick mit
Bepanthen Heilsalbe eingeschmiert.
Aus heutiger Sicht muss ich bedauern, dass es damals noch keine Flamacine gab.
Der Pornobeach verdiente seinen Namen immer nur zu bestimmten Zeiten und so war es unerwartet
verwunderlich, bei einem Spaziergang mit Bernd, Ende September oder Anfang Oktober, noch auf
diesbezügliche Indizien zu stoßen. Bernd hatte sicherlich an diesem Tage erstmals das Vergnügen
gehabt nackte Frauen zu sehen und dann gleich zwei. Wir schlenderten parlierend am Ufer entlang und
kamen nach und nach in immer unzugänglichere Gegenden, denn die Bäume standen direkt bis an die
Wasserkante. Wir mussten immer wieder meterweit in den Wald eindringen, um einen passierbaren
Weg zu finden, um wieder direkt zu Rand des Wassers zurückkehren zu müssen, weil das unser
eigentlicher Weg war. Unerwartet teilte sich das Dickicht des Unterholzes vor uns und wir kamen auf
eine kleine Lichtung, die nur vom Wasser aus - mittels Boot - einsehbar gewesen wäre. Diese Lichtung
war ungefähr drei bis vier m/ groß und auf einer Decke, zumindest vermute ich, dass da eine Decke
war, lagen zwei nackte Frauen, höchstens Mitte Zwanzig, die sich...
Ich weiß nicht, ob die Sonne diese Lichtung beschien. Die beiden Frauen waren ebenso überrascht,
wie wir und ich hatte alle Hände voll zu tun Bernd, der wegen des atemberaubenden Anblicks, wie
angenagelt stehen geblieben war, weiterzubewegen, unter Berücksichtigung der Baumwurzeln, über
die man gut stolpern konnte, sowie die Frauen vermutlich alle Hände voll zu tun hatten diverse
Körperteile mit den Händen zu bedecken, was ich aber nur vermuten kann, denn ich bin in solchen
Situationen erschreckend diskret und habe meinen Blick schwachsinnigerweise abgewandt.
Ich frage mich, hätte man diese Begegnung von wenigen Sekunden ausführlicher und dramatischer
schildern sollen oder hätte man sie erst gar nicht erwähnen dürfen.
Erinnerungen.
Auf einem Stein am Möhnesee, der mit einer angelandeten Boje verkettet ist. Rabenvögel kreischen,
während ansonsten nur in der Ferne der Schwerlastverkehr der anderen Uferseite zu hören ist. Das
Segelboot und die Möhnesee sind vorübergeglitten, mein Blick fällt wieder auf die Mauer und den
kleinen Turm am Wasser des anderen Ufers, der wohl mittlerweile zum Haus Delecke gehört.
Erinnerungen.
1977 war ich an der Stelle am gegenüberliegenden Ufer und wieder hatte diese Erinnerung im
weitesten Sinne des Wortes etwas mit dem Pornobeach zu tun. zu der Zeit befassten sich meine
Gedanken intensiv mit Laura und Laura war es, die, wenn sie zum Möhnesee fuhr immer diese Stellte
auf der anderen Seite bevorzugte.
Wir hatten uns an diesem Ort verabredet und Laura hatte einen dieser knappen in den Siebziger Jahren
modernen Bikinis angezogen, deren Knappheit darin bestand, dass das Unterteil, welch ein
schreckliches Wort - Bikiniunterteil, mit seiner geraden oberen Naht direkt über der Hypotenuse des
auf dem Kopf stehenden Haardreieckes nach oben abschloss. Wir befanden uns mit mehreren Personen
auf einer Decke und Laura hockte, Knie untergeschlagen, Oberschenkel stark gespreizt, etwa 60°,
als ein ziemlich hartnäckig zudringlicher Verehrer Lauras mit einer blitzschnellen Bewegung während
wir zutiefst angeregt über das Thema Sexualität sprachen, nach eben diesem beschriebenen Saum griff
und mit einer winzigen Bewegung ihr Bermudadreieck dem Zugriff unserer Augen preisgab.
Es gibt Momente im Leben, die einem ins Gedächtnis eingebrannt bleiben, als sei man Eidetiker; quod
erat demonstrandum.
Vielleicht kann ich mich gerade aufgrund dieser Tatsache an sehr viele Ereignisse und deren
Begleitumstände so gut erinnern. Trotzdem wird dadurch nicht die Frage beantwortet, warum sich
Bernd nicht an unser Erlebnis erinnern konnte, nach zwanzig Jahren und Laura hatte die genannte
Begebenheit schon nach fünfzehn Jahren vergessen. Unter diesen Bedingungen ist es vielleicht auch
nicht so verwunderlich, dass Georg mich jahrelang nach Einzelheiten meiner Erinnerung befragt hat;
wie war das noch damals, was hatte ich dir da erzählt?
Quod est demonstrandum
Eine laute Hupe, drüben auf der anderen Seite des Sees, riss mich von meinen Erinnerungen los.
Jahre nach dieser Möhneseesequenz mit Laura gab es wieder eine Begegnung.
Ich war im Dienst, oder genauer gesagt, ich schob Bereitschaft.
Es war einer dieser Freitage, an denen sich niemand fand, das Los der Anwesenheit auf sich zu
nehmen, einer jener Tage, an denen die Kollegen lieber zuhause waren, sich ihr Bier genehmigten und
die vorhergehende Woche voller Arbeit beendeten.
Bereitschaft machte ich selbstverständlich nur wegen der Kohle und weil dieser 'Job' für mich die
einzige Möglichkeit war, unsere desolaten Finanzen ein Wenig aufzufrischen.
Naisha hatte an diesem Abend Nachtdienst; noch ein Grund, nicht zuhause sein zu müssen, denn
zuhause bedeutet für mich immer noch, die Anwesenheit Naishas.
Ich saß also mit einigen Bewohnern vor dem Fernseher, um mir irgendeinen langweiligen Film
reinzuziehen, als das Telefon schepperte.
"Ja!"
'Da ist ein Gespräch für dich, ich weiß nicht wer.'
Klick.
"Ja!"
'Na, endlich! Die Stimme kenne ich!'
Eine Frau war in der Leitung.
Bei dem Klang ihrer Stimme machte es in meinem Gehirn ebenso schnell Klick, wie zuvor im Telefon
bei der Verbindung - ich identifizierte die Frau nach so vielen Jahren auf Anhieb.
Doch kam sie mir einer diesbezüglichen verbalen Äußerung zuvor.
'Ich bin's, Laura!'
Bei ihrer Stimme war diese Erläuterung mehr als überflüssig.
'Wie geht's dir denn?'
Diese Stimme hatte ich schon siebzehn Jahre nicht mehr gehört - siebzehn Jahre.
"Wie's mir geht?"
'Klar, du musst erstmal damit klarkommen, nach so vielen Jahren wieder angerufen zu werden!'
"Und ich muss erstmal damit klarkommen, nach so vielen Jahren wieder gefunden worden zu sein."
Eigentlich war ich der Meinung gewesen alle Zelte hinter mir abgebrochen zu haben.
Während meiner Ausbildung hatte ich einige/viele Abende in einer Kneipe/Diskothek namens
Leierkasten in der Ulricher Straße verbracht.
Laura und Doris hatten zu der Zeit, sowohl ihre Ausbildung gemacht, als auch abends im Leierkasten
hinter der Theke gestanden und Susanne, was aber erst Jahre später für mich interessant werden sollte.
Laura hatte mit mir zur gleichen Zeit im gleichen Krankenhaus gearbeitet, das heißt, sie hatte ihren
Ausbildungsplatz dann irgendwann gewechselt, weil sie Probleme mit der leitenden
Unterichtsschwester hatte, genauer, sie war dabei erwischt worden, ihr geringes Gehalt im genannten
Leierkasten aufzubessern.
Sie hatte schon längere Zeit meine sexuellen Gedankengänge beherrscht und wir hatten einige Zeit
miteinander verbracht, ohne aber eine Gelegenheit gehabt zu haben...
In jener Nacht waren wir mit Magdalene Steinhagen und Manuel Antonio Navarro di Ugenia im City
gewesen.
Wir saßen so gegen vier Uhr am Samstagmorgen in Magdalenes Apartment zusammen und ich wurde
allmählich müde.
"Komm! Ich bin müde!"
dieser Satz war wirklich und wahrhaftig das einzige...
Ich hatte es zu Laura gesagt und sie war tatsächlich mitgekommen.
Wir hatten uns in mein Bett gelegt, ohne unsere U-Hosen auszuziehen und ich hielt sie im Arm, ohne
sie sexuell zu bedrängen, obwohl in meiner Gedankenwelt fast nur noch Platz für Sex war.
Vorsichtig streichelte ich sie.
"Ich möchte jetzt mit dir Schlafen!"
Sagte sie und die U-Hosen flogen so schnell...
Sie legte sich auf den Rücken mit gespreizten Beinen.
Mein Schwanz stand in Rekordgeschwindigkeit und ich stieß ihn in ihre Grotte.
Kaum hatte ich begonnen, sie zu Bumsen begann sie zu schreien.
Deutlich kann ich mich an Bruchstücke erinnern.
- ja
- fester
- tiefer
- gut
- oh ist das schön
- ja
- mach weiter
- ja mach
- o ja
- so schön war es noch nie
Durch ihre verbale Beteiligung wurde ich dermassen angestachelt, dass ich mir Mühe gab, wie nie
zuvor.
Aber ihre Anfeuerungen führten auch zu einem Kontrollverlust, der in einer schnellen Beendigung des
Akts meinerseits endete.
Sie freute sich, als ich ihr sagte, wie leid es mir tät, so schnell gewesen zu sein, äußerte aber, es habe
ihr ausgesprochen gut gefallen.
Dann war da noch die Sache, ein Jahr später, Laura war zu diesem Zeitpunkt mit einem jüngeren
Typen namens Andreas zusammen und ich mit Anja.
Aus welchen Gründen auch immer waren Laura und ich in meinem Appartement gelandet, um zu
Bumsen.
Innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen schwirrten mir diese Erinnerungen durch das
Bewusstsein.
'Ich wollte dich eigentlich nur zu unserer diesjährigen Sommerfete einladen! Wenn du willst kannst du
ja kommen, Magdalene kommt auch, und du kannst natürlich jemanden mitbringen, wenn du gerade
mit einer Frau zusammen bist!'
"Du hast gerade mit ihr gesprochen, sie hat dich mit mir verbunden!"
'Gut, dann kommt doch einfach...'
Es gab noch ein Wenig small-talk Bla-bla und wir fuhren tatsächlich zu dieser Fete zu der wir dann
auch tatsächlich gefahren sind. in meiner Erinnerungswelt fand ich noch drei Fragmente -
Erinnerungsstücke an Laura.
Mit Georg Tee trinken, mit Ralf einen Mercedes ansehen und das Golden Gate.
Zu diesen drei Erinnerungsfragmenten gesellte sich nun noch die Erinnerung an diese obskure Fete,
die zwar einerseits einige Klarheiten verschaffte, aber andererseits wieder jede Menge Fragen
aufgeworfen hat.
Der Regen hat so weit aufgehört, dass ich tatsächlich mit meiner Videokamera nach draußen gehe, um
die Familie der BMWs zu dokumentieren. Vier BMWs die alle einige Jahre unsere Fahrzeuge waren,
mit denen wir uns von Ort zu Ort bewegten.
Es reichte nicht der analoge Vorgang des Fotografierens oder Videografierens, nein irgendwie mussten
sie substanziell erhalten bleiben und sei es nur in Teilen für diverse Nachfolger. Unser Nautilus ihm
sein Nachfolger wurde von Josua Aquarius getauft, wegen seiner blauen Farbe.
Diese Trennungsproblematik hat wirklich erst begonnen, nachdem meine Mutter gestorben war.
zweiter Akt
Der grüne BMW, den wir Erhard nennen steht nun wieder in der Garage, neben ihm der 528i den
Nilsen Nautilus getauft hatte. Interessanterweise wurde unser Nautilus ihm sein Nachfolger, ein 528i
der sechs Jahre jünger als Nautilus ist, aber ansonsten kaum Unterschiede aufweist, außer der Farbe,
von Nilsens Tochter Josua Aquarius getauft. Nun steht Nautilus Vorgänger draußen im Regen, ein
roter 528 Bj. 1976, offiziell zwecks Zerlegung, um teilweise in unseren grünen Erhard integriert zu
werden.
Diese Trennungproblematik wurde mir wahrscheinlich erstmals bewusst...
Nein, bewusst wurde sie mir erst viel später.
Zum erstem Mal zum tragen kam sie im Jahre 1979, als ich einen Opel Commodore A GS Coupé fuhr,
mit Servolenkung und Powerglidegetriebe, lackiert in monzablaumetallic.
Als ich diesen Opel nach einem Jahr Fahrens gegen ein deutlich schnelleres Modell, einen Commodore
B GSE Coupé austauschen wollte, suchte ich erstmals nach einer Möglichkeit, den Vorgänger in einer
Garage unterzubringen, um ihn der Nachwelt zu erhalten. Dieses Unterfangen ist mir allerdings
gründlich misslungen, ich habe den Opel gegen zwei Schalensitze für seinen Nachfolger eingetauscht.
Möglicherweise hat dieses Geschehen im Nachhinein für eine Vertiefung meines Trennungstraumas
gesorgt.
Versonnen fällt mein Blick auf den Spiegel, den Naisha auf dem Flohmarkt in Paris gekauft hat, der
wesentlich mehr als ein bloßer Spiegel sein sollte. Meine Gedanken schweifen unweigerlich ab, zu
dem anderen Spiegel, der auch nicht bloß ein Spiegel war, sondern zumindest noch ein Lichtobjekt - in
Berlin war das.
Katmandu hieß diese Teestube.
Die Beleuchtung war weniger als mäßig.
Die Tische an den Wänden hatten abgesägte Beine und man hockte auf Matratzen.
Eine Kanne Jasmintee dampfte direkt vor meiner Nase.
In einer Ecke stand ein Spiegel, der mich faszinierte. Man schien einen Teil der reflektierenden
Beschichtung der Hinterseite weggekratzt zu haben, um dahinter eine Lampe zu installieren, die
verschiedenfarbiges Licht durch die Aussparungen in den Raum schickte.
Die Musik war äußerst dezent und keinesfalls unkommunikativ - Leonard Cohen.
Neben der Teekanne vor meinen Augen standen zwei Teeschalen.
Ich hatte das Gefühl, mich umdrehen zu müssen, unterließ es aber, weil ich zu glauben meinte, die
Ursache für dieses Gefühl zu kennen.
Eine alte Scheibe von Leonard Cohen war zu hören, die eine Menge Erinnerungen in mir wachzurufen
vermocht hätte, was ich an diesem Abend aber nicht zulassen wollte, vielleicht später.
'Suzanne takes you down, to her place near the river.
You can hear the boates go by, you can spent a night beside her,
and you know, she's half crazy, but thats why you wonna be there.
And she feets you tea and oranges that come all the way from china,
and just when you mean to tell her, that you have no love to give her
than she gets you her wavelength and she lets the river answer that you've allways been her lover.
And you want to travel with her and you want to travel blind
and you know she will trust you for you touched her perfect body your mind.
And Jesus was a sailor, when he walked upon the water,
and he spent a long time watching from his lonely wooden tower
and when he knew for certain only drowning men could see him
he said: All men will be sailors then untill the see shall free them!
But he himself was broken, long before the sky would open,
for saken almost human he sank beneath your wisdom like a stone
And you want to travel with him and you want to travel blind,
and he'll think may be you'll trust him for he's touched your perfect body with his mind.
Now Suzanne takes your hand and she leads you to the river
she is wearing rags and feathers from salvation army counters
And the sun pulls down like honey on our lady of the harbour
and she shows you were to look among the garbage and the flowers
there are heroes in the seaweed there are children in the morning
they are leaning out for love they will leane that way forever while Suzanne fools the mirror.
And you want to travel with her and you want to travel blind
and you know you can trust her for she's touched your perfect body with her mind!
Nora mußte hinter mir stehen, da war ich absolut sicher.
"Warum setzt du dich nicht, Nora?"
Tatsächlich spazierte sie an mir vorbei und setzte sich mir gegenüber hin.
Ihre grünen Augen sahen mich an.
Wortlos beugte sie sich nach vorne, um die Teekanne zu ergreifen.
Ihr weites schwarzes Kleid hing so locker um ihren Körper, dass ich unweigerlich in ihren Ausschnitt
starrte, was sie nicht zu bemerken schien.
Ich schloß die Augen.
Nein, die Sexfantasien wollte ich mir nicht gestatten.
Nora und ich kannten uns jetzt einige Wochen und trafen uns in unregelmäßigen Abständen im
Kathmandu.
Nora goß einen Teil des Tees in die Schalen.
Ihre Brüste wogten aus dem Kleid und ich konnte danach greifen!
Ich schüttelte den Kopf.
"Was ist, Fenda?"
"Nichts, gar nichts!"
Sie stellte die Kanne zurück.
Der Tee dampfte in den Schalen und Nora nahm wieder ihre normale Sitzposition ein.
Sie sa
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