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Ohne genau zu
wissen, was ich tat, saß ich nun schon seit Anbruch der
Dämmerung in meinem Wagen und beobachtete das Haus, in dem Jody
schon so lange wohnte, wie ich sie kannte.
Ich observierte
tatsächlich dieses Haus und wartete auf irgendeine Regung. Ich
wartete darauf, dass hinter einem der alten Fenster ein Licht
aufleuchtete, oder irgend jemand das Haus verließ oder betrat.
Ausgestorben!
Das ganze Haus wirkte so, als sei es unbewohnt,
als seien seine Bewohner schon seit geraumer Zeit nicht mehr da
gewesen.
Eigentlich kannte ich Jody erst seit gut einem halben
Jahr.
Ich kannte sie aus einer Teestube, mitten in Berlin und
erinnerte mich deutlich an einen der letzten Abende, den ich mit ihr
verbracht hatte.
Kathmandu hieß diese Teestube und sollte
wohl an die Hauptstadt des Nepal erinnern. Die Beleuchtung war
weniger als mäßig. Die Tische an den Wänden hatten
abgesägte Beine und man hockte auf Matratzen.
Eine Kanne
Jasmintee dampfte direkt vor meiner Nase.
An den Wänden
waren Bilder zu sehen, die in die mystische Stimmung der Umgebung
passten. In einer Ecke stand ein Spiegel, der mich faszinierte. Man
schien einen Teil der reflektierenden Beschichtung der Hinterseite
weggekratzt zu haben, um dahinter eine Lampe zu installieren, die
verschiedenfarbiges Licht durch die Aussparungen in den Raum
schickte; Glasmalfarben schien man wohl verwendet zu haben.
Einen
solchen Spiegel und eine solche Teestube sollte es in der Stadt in
der ich normalerweise zu Hause war, auch geben.
Die Musik war
äußerst dezent und keinesfalls unkommunikativ - Leonard
Cohen.
Neben der Teekanne vor meinen Augen standen zwei
Teeschalen.
Ich hatte das Gefühl, mich umdrehen zu müssen,
unterließ es aber, weil ich zu glauben meinte, die Ursache für
dieses Gefühl zu kennen.
Eine alte Scheibe von Leonard Cohen
war zu hören, die eine Menge Erinnerungen in mir wachzurufen
vermocht hätte, was ich an diesem Abend aber nicht zulassen
wollte, vielleicht später.
Wir hatten uns immer wieder
getroffen und sie hatte es fast immer vorgezogen, diese Treffen in
dem Haus stattfinden zu lassen, das sie bewohnte und das ich jetzt
beobachtete. Eher selten trafen wir uns im Kathmandu, ja kannten uns
auch daher.
Wieder erinnerte ich mich an den letzten Abend.
Jody
musste hinter mir stehen, da war ich absolut sicher.
„Warum
setzt du dich nicht, Jody?"
Ich hatte laut genug gesprochen,
um die Musik zu übertönen.
Tatsächlich spazierte
sie an mir vorbei und setzte sich mir gegenüber hin.
Ihre
grünen Augen sahen mich an.
Wortlos beugte sie sich nach
vorne, um die Teekanne zu ergreifen.
Jody und ich kannten uns
jetzt einige Monate und trafen uns in unregelmäßigen
Abständen im Kathmandu, wenn ich sie nicht in ihrem geräumigen
alten Haus mit den vielen Zimmern besuchte.
Jody goss einen Teil
des Tees in die Schalen.
Ich verfolgte jede ihrer Bewegungen
aufmerksam mit meinen Augen; sie schaffte es tatsächlich, einen
so prophanen Vorgang, wie das Füllen von Teeschalen, in einer
Weise durchzuführen, dass sie einen Beobachter zu fesseln in der
Lage war.
Sie stellte die Kanne zurück.
Der Tee dampfte
in den Schalen und Jody nahm wieder ihre normale Sitzposition ein.
Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf ihre Augen, um
nicht in den Verdacht zu geraten, sie mit den Augen ausziehen zu
wollen, was natürlich der Fall war. Immerhin musste man
bedenken, dass ich mich seit einigen Monaten in meinen sexuellen
Fantasien immer nur mit ihr beschäftigt hatte.
Sie sah mich
an.
Die Musik Leonard Cohens war vielleicht nicht der richtige
Begleit-Sound gewesen, war möglicherweise zu melancholisch,
sicher zu düster für die alten Gemäuer des Hauses, in
dem Jody wohnte.
Auch nun, im Wagen sitzend, hörte ich
Cohen.
Jody hatte mich angerufen und angedeutet, etwas stimme
nicht. Sie hatte mich ausdrücklich darauf hingewiesen,
keinesfalls ihr Haus zu betreten. Sie werde sich sicher innerhalb der
nächsten Tage wieder bei mir melden.
Nun diese erwähnten
nächsten Tage hatten jetzt genau eine Woche gedauert, eine Woche
in der ich mir ernsthafte Sorgen um Jody machte und eine Woche, in
der sich der Konflikt in mir immer weiter verstärkt hatte.
Einerseits war es mir eine Selbstverständlichkeit, Jodys
Haus nicht ohne ihre Zustimmung zu betreten, doch andererseits
rechtfertigte meine Sorge und die mögliche Gefahr für Jody
diesen Schritt?
Ich war mir immer noch nicht schlüssig, als
ich die Tür meines Wagens öffnete, ausstieg und die Tür
sorgfältig hinter mir verriegelte.
Mit wenigen Schritten
hatte ich mich dem alten schmiedeeisernen Zaun genähert, der auf
einer niedrigen Steinmauer stand und gut zweieinhalb Meter hoch war.
Ein kurzes Umsehen, um sich davon zu überzeugen, nicht
beobachtet zu werden.
Respektvoll die Spitzen des Zaunes meidend
gelang es mir letztendlich mittels eines Sprunges vom Zaun in den
zugewucherten Garten zu gelangen. Trotz des Abfederns durchzuckte ein
stechender Schmerz meine Wirbelsäule.
Vielleicht war ich
doch nicht mehr der Jüngste, zumindest nicht jung genug für
solche Eskapaden.
Ich blieb gleich am Boden und wartete einige
Minuten ab, die Augen geschlossen und volle Konzentration auf das
Gehör. Nichts tat sich. Nicht einmal die Katze der Nachbarin
schien in der Nähe zu sein.
Die geschlossenen Augen hatten
innerhalb dieser Zeit des Abwartens zu einer Verbesserung meiner
Dämmerungssichtigkeit geführt. Immerhin war es in diesem
Garten ebenso dunkel, wie in Jodys Haus.
Ein letztes mal holte
ich mein Mobiltelefon aus der Tasche, betätigte die Tastensperre
und drückte zweimal auf die grüne Taste.
Etwa eine
halbe Minute später hörte ich Jodys Telefon klingeln. Ja,
sie hatte tatsächlich so ein altes Ding, mit Drehscheibe und
Klingel.
Nach dem zehnten Klingelzeichen drückte ich die
rote Taste und steckte das Telefon zurück in die Hosentasche,
nachdem ich es ausgeschaltet hatte. Es gab kaum etwas unangenehmeres
als in einer Situation wie der meinen, in einem fremden Garten auf
dem Weg in ein fremdes Haus einzudringen, durch ein verräterisches
Telefon gestört zu werden.
Vorsichtig ging ich Schritt für
Schritt durch das dichte Unterholz auf das Haus zu, versuchend jedes
Geräusch zu vermeiden, was mir natürlich nicht gelang.
Es
muss wohl einige Minuten gedauert haben, bis ich endlich den kalten
Bruchsteinsockel des alten Hauses erreicht hatte.
Ein Fahrzeug
fuhr vor dem Tor des Gartens vorbei. Aufgrund des Geräusches
konnte es sich nur um einen BMW mit Sechszylinder Motor handeln.
Die
Scheinwerferkegel hatten kurz und diffus einen Teil des Gartens
beleuchtet. Der alte Brunnen hatte dabei einen wandernden Schatten
geworfen.
Wieder tauchte ein Gedanke an der Oberfläche
meines Bewusstseins auf, der die Frage aufwarf, was ich da eigentlich
tue; es musste jetzt wohl Mittenacht sein und ich wusste nicht, wie
ich, im Falle eines ertappt werdens, mein Hiersein erklären
wollte.
Sich nähernde Schritte auf er nahen Straße.
Das Hecheln eines Hundes erklärte den Grund für den
nächtlichen Spaziergang des Mannes, denn es handelte sich um die
Schritte eines Mannes.
Nachdem die Schritte verklungen waren,
bewegte ich mich vorsichtig, jedes Geräusch vermeidend, an dem
Sockel des Hauses entlang, mit dem Ziel die Terrasse über eine
Freitreppe zu erreichen. Dieser Hinterbereich des Hauses war derart
zugewuchert, dass ich es hier theoretisch wagen konnte, meine
mitgebrachte Taschenlampe zu benutzen, was ich allerdings im Hinblick
auf die dunkel gähnenden Fenster des Hauses unterließ.
Obwohl ich schon so manche Stunde in diesen Gemäuern zugebracht
hatte, war mir nun, möglicherweise auch in Anbetracht der
Dunkelheit und der offensichtlichen Abwesenheit Jodys, ziemlich
mulmig im Magen.
Ein letzter Gedanke, der mein Tun in Frage
stellte und ich machte mir an der Terrassentür zu schaffen, von
der ich wusste, wie alt sie war und die ich schon oft von Innen
verschlossen hatte. Fast bei jedem Besuch hatte ich Jody darauf
hingewiesen, dass diese Tür jeden Einbrecher nahezu einladen
würde, doch sie hatte immer nur gelacht und einmal hatte sie
bemerkt, jeder Einbrecher würde sein Handeln sehr schnell
bereuen, wenn er erst einmal ins Haus gelangt sein sollte.
Ich
musste leicht grinsen, als ich mittels eines Taschenmessers die
Verriegelung der Terrassentür überwand, dachte ich doch in
diesem Moment an amerikanische Türen und Detektive, die diese
mittel Kreditkarten öffneten.
Vorsichtig ließ ich die
Tür nur so weit aufschwingen, dass ich mich gerade so
hindurchdrücken konnte. Ich verschloss die Tür wieder
hinter mir.
Kurzfristig fand ich mich in der emotionalen
Situation wieder, meine Anwesenheit, denn niemand konnte jetzt die
Art meines Eindringens nachvollziehen, die mir bewusst machte, mein
Hiersein in meiner lockeren Freundschaft zu Jody erklärbar zu
machen.
Lockere Freundschaft.
Irgendwie konnte ich es nicht
mehr vor mir selbst verheimlichen, aber das was ich für Jody
empfand war eindeutig mehr, als Gefühle, wie sie eine lockere
Freundschaft rechtfertigte.
Eine lockere Freundschaft
rechtfertigte mit Sicherheit nicht das, was ich nun tat, denn wenn
ich jemanden mit dem ich locker befreundet war, vermisste, hätte
ich wohl kaum einen Einbruch verübt. Erschwerend kam hinzu, dass
es niemanden zu geben schien, der Jody kannte, außer mir. Nie
hatte sie mir von anderen Leuten erzählt, nie hatte ich andere
Leute im Zusammenhang mit Jody getroffen. Nie hatte es meines Wissens
andere Personen in diesem Haus gegeben.
All diese Dinge und
Zusammenhänge waren mir allerdings erst im Laufe der Woche
aufgefallen, die ich Jody vermisste.
Sollte es möglich sein,
dass sie verreist war?
War sie vielleicht zu Freunden oder
Bekannten in eine andere Stadt gefahren?
Diese Fragen verneinte
ich instinktiv.
Im Schutze meiner Finger ließ ich kurz
meine Taschenlampe aufleuchten.
Die Bücherwand neben dem
Kamin verfügte über eine Lücke, die vorher nicht da
gewesen war.
Der Kamin, hatte er nicht immer gebrannt, wenn ich
hier gewesen war?
Mit zögernden Schritten näherte ich
mich der Bücherwand mit dem Spalt, der zuvor nicht da gewesen
war.
Bevor ich noch einmal von der Taschenlampe Gebrauch machte,
um kurz in den Spalt zu leuchten, sah ich mich um, als habe ich das
unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Im Kamin lag eine
rotgelbe Pappverpackung, die meine Aufmerksamkeit erregte.
Hinter
dem Spalt in der Bücherwand ließ das kurze Aufleuchten der
Taschenlampe einen kurzen Gang erkennen.
Und genau das konnte es
nicht geben, ja durfte es nicht geben.
Ich war seit gut zwanzig
Jahren Architekt und wenn es eines gab, was mir dieser Beruf
eingehandelt hatte, dann räumliches Empfinden. Da, wo ich kurz
den Gang im Licht der Taschenlampe bemerkt hatte, musste sich der
Nebenraum befinden, jenes Zimmer, in dem Jody und ich so häufig
zusammen gegessen hatten.
Eines war für mich sicher.
Dieser
Gang, den ich kurzfristig gesehen hatte, konnte nur eine Täuschung
sein, möglicherweise mittels eines Spiegels hervorgerufen.
Andererseits war es schon erstaunlich, in dieser zugegeben dicken
Wand einen Gang unterzubringen; diese Wand war immerhin eine tragende
und ich fragte mich unwillkürlich, wie man vor gut zweihundert
Jahren eine solche Statik...
Ich stand nun direkt vor der Lücke
in der Bücherwand. Ein Teil des uralten Regals, das sicher seit
Jahrzehnten völlig unberührt ein Teil der Wand gewesen war,
stand in einem dreißig Grad Winkel von dem normalen Verlauf der
Wand weg nach Innen.
Ohne mir dessen richtig bewusst gewesen zu
sein, drückte ich mich durch die schmale Öffnung und wollte
sofort weiter nach rechts, in den Gang, wo ich der Architekt den
logischen Verlauf dieses Geheimganges erwartete, auch wenn dieser
Gang dann durch den Kamin führen musste.
Rechts stieß
ich auf Stein.
Ich konnte mich nur geradeaus bewegen und befand
mich Minuten später, immerhin hatte ich mich bewusst Schritt für
Schritt vorwärts bewegt, zwar in diesem erwähnten
Geheimgang, wusste aber andererseits genau, dass ich, der Architekt,
mich mitten im Nebenraum befinden musste.
Ich stand also
gleichzeitig in diesem Gang und in Jodys Esszimmer, was natürlich
nicht möglich war, das weiß ich genau so gut, wie der
Leser.
Hatte Jody diesen unmöglichen Gang entdeckt?
Hatte
sie ihn betreten?
Warum war sie dann nicht wieder
herausgekommen?
Mit wenigen sicheren Schritte war ich zurück
im Kaminzimmer.
Ein kurzes Aufleuchten der Taschenlampe wies mir
den richtigen Weg in das Esszimmer, das ich unversehrt, wie immer,
vorfand.
Der Skeptiker in mir stellte die Frage nach der
Bourbonmenge, die ich an diesem Tag konsumiert hatte und gleich
danach die Frage, ob ich möglicherweise zu lange keinen Alkohol
mehr gehabt hatte.
Der Architekt entschied sich dafür, in
ein Escherbild geraten zu sein.
Nur welche Stimme riet mir nun,
Jodys Cognac zu probieren?
Ich rekapitulierte.
Jody war
verschwunden und neben ihrem Kamin gab es einen Gang, den sie
vielleicht selber gar nicht gekannt hatte. Ich stand hier auf
der anderen Seite des Kamins und musste feststellen, dass der zweite
Cognac auch nicht besser schmeckte als der erste.
Was, wenn Jody
in den Gang gegangen war und eine Treppe heruntergestürzt war?
Was motivierte mich, so lange zu zögern?
Idiotischerweise
griff ich noch, bevor ich den Gang betrat, nach Jodys alten Erbstück,
einem Schwert ihres Urgroßvaters, wie sie gesagt hatte, das
rechts über dem Kamin gehangen hatte und nun vor mir her in den
Gang bewegt wurde. Ohne weiter zu zögern benutzte ich die
Taschenlampe und rief nach Jody.
Der Gang führte mindestens
zwanzig Meter völlig gerade vom Kaminzimmer weg und ich konnte
mich schon gar nicht mehr in Jodys Haus aufhalten, als er einen
Neunziggradknick nach rechts machte. Hatte dieser Gang an seinem
Anfang noch den Eindruck vermittelt, er sei aus Ziegelsteinen
gemauert, erschien es mir nun, als sei er direkt aus gewachsenem Fels
gestemmt.
Ich wurde langsam und näherte mich vorsichtig der
Gangbiegung, die Treppe erwartend, die Jody möglicherweise
heruntergestürzt war. Langsam näherte ich mich dem Knick
aus Gründen der Vorsicht, aber auch, weil ich tatsächlich
befürchtete, Jody in einem bedauernswerten Zustand vorzufinden.
Doch glücklicherweise wurde ich enttäuscht, hinter dem
Knick ging der Gang weiter wie zuvor, etwa zwanzig Meter geradeaus,
die ich schnell zurücklegte.
In Gedanken rekapitulierte ich
den Weg, den ich nun in diesem Gang zurückgelegt hatte. Zwanzig
Meter geradeaus durch das Esszimmer und ich musste mich unter der
alten Kastanie in Jodys Garten befinden, genauer gesagt, in etwa
mitten im Stamm. Nun weitere zwanzig Meter nach rechts und ich stand
mitten auf der Straße, die vor Jodys Haus herging.
Am Ende
des Ganges fand ich einen schweren dunklen Vorhang, den ich zur Seite
schob. Ich weiß nicht, was ich hinter diesem Vorhang erwartet
hatte, doch das helle Licht, das durch Spalten in einer alten Holztür
fiel, mit Sicherheit nicht. Das helle Licht musste von Neonröhren
oder etwas ähnlichem herrühren, wusste ich doch, dass zur
Zeit tiefste Nacht herrschte.
Nachdem ich diesen Knick im Gang
überwunden gehabt hatte, hörte ich Geräusche, als
nähere ich mich einer Straße; kein Wunder, würde ich
doch am Ende des Ganges mitten auf der Straße stehen, obschon
mich diese Geräuschkulisse doch ein wenig befremdlich stimmte,
war es doch mitten in der Nacht in einer Gegend, in der es schon eine
Sensation war, wenn einer der Nachbarn seinen Hund zum Pinkeln
ausführte. Außerdem war es seit dem ich am Knick vorbei
war, deutlich wärmer geworden, ja nahezu heiß.
Ich
drückte mich vorsichtig an dem Vorhang vorbei und bewegte mich
bis zu der verfallenen Holztür, durch die das gleißende
Neonlicht zu fallen schien.
Nur langsam gewöhnten sich meine
Augen, nach dieser undurchdringlichen Finsternis des Ganges und der
Räume in Jodys Haus, an die nun zu erwartende Helligkeit.
Durch
ein Astloch fiel so viel Licht in den Gang, dass ich dadurch auch
sehr gut nach draußen sehen konnte. Was ich erwartete, war ein
Raum, der durch viele Neonröhren erleuchtet wurde.
Was ich
sah, ließ mein Herz ein bis zwei Schläge lang aussetzen.
Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, fand aber
genau die Straßenszene wieder, die ich zuvor gesehen hatte.
Eine Strandszene in der Karibik. Hinter der Holztür war
hellichter Tag, auf der anderen Seite der Straße verkaufte ein
dunkelhäutiger Eisverkäufer Rieseneisportionen in
Pappbehältnissen, die bunt rotgelb gefärbt waren. Hatte ich
nicht vor wenigen Minuten im Kamin im Haus Jodys eine ebensolche
Pappverpackung gesehen?
Zwei Gedankengänge kreuzten sich in
meinem Bewusstsein. Erstens gedachte ich so schnell wie möglich
in Jodys Haus zurückzukehren, weil doch diese Pappverpackung im
Kamin deutlich dafür sprach, dass Jody nachdem sie hier in der
Karibik gewesen war, in ihr Kaminzimmer zurückgekehrt war.
Zweitens wollte ich mich unwiederbringlich davon überzeugen,
dass ich mich nicht irrte, dass ich nicht in irgendeiner
Wahnvorstellung gelandet war, dass ich nicht zu viel Bourbon
getrunken hatte, dass ich nicht verrückt geworden war - und wenn
doch?
Entschlossen schob ich den Riegel zur Seite und öffnete
die Holztür, die sich bereitwillig nach außen schieben
ließ. Das Schwert stellte ich in die Ecke hinter der Tür,
wollte ich doch nicht noch mehr auffallen, als ich es sowieso schon
aufgrund meiner Kleidung tat.
Ich stand auf einer Art Veranda aus
Holz, die kollonadenähnlich den Bürgersteig bildete.
Japanische, amerikanische und europäische Fahrzeuge fuhren
auf und ab und auf der anderen Seite der Straße, auf einem
breiten Bürgersteig verkaufte der dunkelhäutige
Eisverkäufer gerade eine Riesenportion seines Eises an eine
braun brannte bikinibekleidete Strandschönheit, deren Rundungen
mich daran erinnerten, dass seit einigen Monaten nur noch Jody in
meinem Kopf herumgegeistert war.
Ich sah mich noch kurz um und
stellte fest, dass die Tür, aus der ich gekommen war, zu einem
alten Haus gehörte und scheinbar in den bruchsteingemauerten
Keller zu führen schien, ich wusste es besser. Diese Tür
führte in ein altes Gebäude auf der anderen Seite des
Planeten, das gerade 'mal vierzig Meter von meinem Standort entfernt
war.
Mit schnellen Griffen verriegelte ich die Tür wieder
hinter mir und eilte mit der Taschenlampe in der linken und dem
Schwert in der rechten durch den bekannten Gang zurück in Jodys
Kaminzimmer.
Percy Stuard fiel mir ein und sein immer
wiederkehrender Ausspruch: Wenn ich das in meinem Club erzähle.
Für Münchhausen hätte man mich gehalten, aber
andererseits konnte ich froh sein, tatsächlich zu keinem Club zu
gehören, von daher würde ich auch niemals Gefahr laufen,
diese Ereignisse an einem solchen Ort preiszugeben.
Hinter dem
Knick, der nun nach links führte wurde es deutlich kühler
und der Straßenlärm vom karibischen Strand war nicht mehr
zu hören.
Jegliche Vorsicht außer Acht lassend betrat
ich nun wieder Jodys Kaminzimmer und hatte nicht die geringsten
Bedenken, das Licht einzuschalten.
Zielgerichtet fand der
Lichtkegel meiner Taschenlampe den altertümlichen Schalter neben
der Tür. Völlig bedenkenlos schaltete ich nun das Licht ein
und sah mich in einem großen Spiegel wieder. Etwa 180 cm groß,
leicht untersetzt, mit wenigen Haaren und einem Schwert in der
rechten.
Nun bewegte ich mich in Jodys Haus, als wäre ich
nicht der Einbrecher sondern der Eigentümer. Hatte es nicht
einige Räume gegeben, die ich zuvor noch nie betreten hatte? Gab
es da nicht einen Gang auf der anderen Seite des Esszimmers von dem
ich schon einige Male gedacht hatte, dass die links und rechts
befindlichen Zimmer aufgrund des Grundrisses des Hauses und des
Abstandes zwischen den Türen, nur bessere Vorratskammern sein
konnten?
Nach dieser Angelegenheit, dem Fund eines Geheimganges,
der vierzig Meter weit, quer durch den Planeten, in die Karibik
führte, konnte ich mir doch wohl wirklich einen Whiskey gönnen.
Ich ging zielstrebig in die Küche und öffnete den
Kühlschrank, von dem ich immer gedacht hatte, Jody habe ihn aus
den USA einfliegen lassen. Das Licht im Kühlschrank leuchtete
erwartungsgemäß auf, als ich die Tür öffnete. Im
Kühlschrank fand ich einige alkoholische Getränke vor und
einige Sorten Käse, sowie eine Dose mit Pumpernickel Brot. alles
Nahrungsmittel, die lange haltbar waren, sofern man es gewohnt war,
regelmäßig 'mal einige tage zu verschwinden.
Ich goss
einen großen Schluck Bourbon in ein Wasserglas und den Inhalt
mit einem Zuge meine Kehle hinunter.
Hatte Jody mir nicht immer
angeboten, meinen Wagen in ihrer Garage zu parken?
Warum mir
dieser Gedanke in diesem Moment kam, war mir ebenso schleierhaft, wie
die Angelegenheit mit dem Gang in die Karibik. trotzdem verließ
ich ihr Haus nun durch den Keller, den ich schon einige Male mit ihr
betreten hatte und betrat die Garage, die in den Keller des Hauses
integriert war. Jodys Wagen war nicht zu sehen, die Garage war leer.
Vielleicht hätte ich hier zuerst nachsehen sollen, denn sie
konnte ja auch einige Tage weggefahren sein. Die Abwesenheit ihres
Fahrzeugs aber machte mir deutlich, dass ich möglicherweise
wegen ihres Verschwindens schon seit gut einer Woche auf dem Holzweg
sein konnte. Andererseits gedachte ich angesichts der Entdeckung des
Ganges natürlich nicht jetzt nach Hause zu fahren. Ich öffnete
das Garagentor von innen und sah meinen Wagen auf der
gegenüberliegenden Straßenseite stehen. nach dem Öffnen
des Garagentores öffnete sich, wie ich es schon einige Male
gesehen hatte, das große Tor im Zaun zur Straße
automatisch. Gut.
Ich fuhr meinen Wagen in die Garage und
verschloss hinter ihm das Garagentor, wohlwissend, dass sich nun auch
das große Tor zur Straße schließen würde.
Die
Garage war relativ geräumig und stand voller Gerümpel.
auffallend war in diesem Zusammenhang, dass die Wand gegenüber
dem Tor völlig frei stand, obwohl eigentlich noch genug Platz
gewesen wäre. vielleicht würde ich irgendwann die Frauen
verstehen, in einem meiner nächsten leben vielleicht. Der
einzige Wandfleck in dieser Garage, der nicht zugestellt war, war
abgesehen von der dem Tor gegenüberliegenden Wand, die Tür,
durch die ich aus dem Keller gekommen war.
Ich kehrte zurück
ins Kaminzimmer und ließ mich in einen der bequemen Sessel
sinken.
Was hatte ich in der letzten Stunde erlebt?
Sollte
ich auf die andere Seite des Ganges gehen und am karibischen Strand
einen Drink zu mir nehmen?
Du hast genug!
Ich musste
meiner inneren Stimme recht geben, ob ich nun wollte oder nicht. Was
ich in meiner derzeitigen Situation an nötigsten brauchte, war
ein völlig klarer Kopf. Was mich allerdings so richtig
verwunderte war der Umstand, dass ich tatsächlich in Erwähnung
zog, in der Karibik einen Kaffee zu trinken.
Jody war seit gut
einer Woche verschwunden. Sie hatte auf keine Anrufe reagiert und war
auch an den Plätzen nicht aufgetaucht, an denen ich sie schon
getroffen hatte. Ich hatte im Kathmandu nachgefragt und erfahren,
dass sie seit unserem letzten Aufenthalt nicht mehr da gewesen war.
Und noch etwas erfuhr ich, man war der Meinung gewesen, Jody und ich
hätten uns im Kathmandu getroffen, schon beim ersten Mal.
Hatte
sie zufällig das Kathmandu zu gleichen Zeiten, wie ich besucht?
Heute, bevor ich zu Jodys Haus gefahren war, hatte ich die
Bedienung im Kathmandu gefragt, ob sie schon lange herkam.
Die
Antwort hatte mich verwundert, es schien, als sei sie nur an den
Tagen in der Teestube gewesen zu sein, an denen ich auch da gewesen
war.
Ja die Frau war sogar noch weiter gegangen, sie hatte
vermutet, dass Jody und ich uns immer im Kathmandu verabredet hatten,
vom ersten Abend an. Sie war der Meinung gewesen, Jody und ich hätten
uns schon seit Jahren gekannt.
Und wenn ich jetzt darüber
nachdachte, dann schien es mir, als würden wir uns wirklich
schon viele Jahre kennen, ja es schien mir so, als hätte ich
diesen Eindruck bereits am ersten Abend gehabt.
Wenn ich sie
wirklich so gut kannte, oder zu kennen glaubte...
Hatte sie von
dem Gang in die Karibik gewusst?
Hatte sie ihn zufällig
entdeckt und sich ein Eis besorgt, bevor sie verschwand?
War sie
wieder in die Karibik zurückgekehrt, um da zu verschwinden?
War
sie mit ihrem Alpha Romeo Spider in irgendeine andere Stadt gefahren?
Wo war Jody?
Steckte sie in irgendeiner wie auch immer
gearteten Gefahr?
Machte ich mir umsonst Sorgen?
Ein Gedanke,
der mir nun kam, konnte von mir nicht zu seinem Ursprung
zurückverfolgt werden.
Seit wann bewohnte sie dieses Haus?
Wie alt war dieses Haus?
Wie alt war sie?
Die letzte
Frage war so dämlich, dass ich schon fast aufgelacht hätte,
als ich sie dachte, doch so abwegig war sie gar nicht.
Ich sah
mich noch einmal im Kaminzimmer um.
Wie oft hatten wir hier
zusammengesessen, bei einem guten Glas Wein und wie oft hatten wir
die Zeit vergessen und bis zum Morgengrauen zusammen geredet. Nun
fragte ich mich, allerdings nicht zum ersten Male, warum wir uns
dabei immer nur verbal näher gekommen waren.
Die Bücher
in der Regalwand links vom Kamin waren alle alt und stammten aus
aller Herren Länder, ich hatte sie mir schon einige Male
angesehen, dabei war mir allerdings aufgefallen, dass Jody immer
direkt neben mir gestanden hatte und jeden meiner Handgriffe mit
Argusaugen betrachtet hatte. Ich hatte nicht eines dieser Bücher
gewagt aus dem Regal zu nehmen, um darin zu blättern.
Nun
ragte eines dieser Bücher gut fünf Zentimeter weit aus der
geschlossenen Reihe der anderen. Ich schob es zurück, weil ich
glaubte, Jody hätte es an meiner Stelle nicht anders getan.
Ein
plötzliches Geräusch erschütterte mich.
Die
Öffnung in der Regalwand hinter der sich der Gang in die Karibik
befand, hatte sich geschlossen.
Wie das?
Hatte das Schließen
der Regalwand etwas mit dem Zurückschieben des Buches zu tun
gehabt?
Ich zog das Buch wieder ein Stück heraus.
Die
Regalwand öffnete sich wieder.
Auf dem Buchrücken stand
ein Titel.
„Entdeckung in Bermuda."
Dann hatte
dieser Gang, durch den ich gegangen war, auf die Bermuda-Insel
geführt.
Dieser Gang führte vierzig Meter weit und
durch den halben Planeten.
Ich schob das Buch zurück und die
Regalwandtür schloss sich wieder.
Dieses Buch merkte ich
mir.
Direkt daneben trug ein Buch den Titel:
„Zwischen
Zeustempel und Akropolis."
Auf der anderen Seite trug das
Buch den Titel:
„Die Pyramiden von Gize."
Nun wo
sollte ich nun mit der Suche nach Jody fortfahren?
Wollte sie
überhaupt gesucht werden?
War es normal, auf diese Art
einfach zu verschwinden?
Als Architekt hatte ich natürlich
hervorragende Kontakte zum örtlichen Bauamt, die für einen
Menschen meines Berufes lebenswichtig waren. Ich hatte die Kontakte
genutzt, weil dieses alte Haus mich schon bei unserem ersten Treffen
hier fasziniert hatte und in der letzten Woche, weil ich wissen
wollte, wer der offizielle Eigentümer dieser alten Villa war. Es
handelte sich tatsächlich um eine Frau Namens Josephine
Weishaupt. Sie tauchte erstmals in den zwanziger Jahren des
zwanzigsten Jahrhunderts in den Büchern auf und niemand hatte
bisher darüber nachgedacht, wie alt diese Frau wohl sein mochte.
Ich dachte nun gleichzeitig in zwei Richtungen. Mochte Jody die
Urenkelin dieser Josephine Weishaupt sein? Konnte es möglich
sein, dass der Gang in die Karibik nicht nur zu anderen Orten der
derzeitigen Gegenwart führte, sondern auch in die Vergangenheit
oder Zukunft?
Der Name Weishaupt war mir auch aufgefallen. Im
Lexikon fand ich den Namen Adam Weishaupt und eine Geschichte, zu der
ich später auch noch andere Hinweise finden sollte.
*
lluminatenorden
Geheimbund,
der 1776 zur Durchsetzung des „Lichts der wahren Vernunft"
von Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründet wurde und etwa 2 000
bis 2 400 Mitglieder zählte, zumeist Beamte, aber auch Literaten
(z. B. Goethe und Herder) und Adlige. Am mächtigsten war der
Orden in Deutschland, vor allem in Süddeutschland; allein in
München zählte er über 200 Mitglieder.
Dieser
orden ging aus der Freimaurertradition hervor und war, so weit ich
wusste ebenfalls ein fermetischer Orden, bei dem man sich nicht um
die Mitgliedschaft bewerben konnte, sondern in den man von
Mitgliedern berufen wurde.
Das genaue Gründungsdatum sollte
laut Robert Anton Wilson der 01.05.1776 gewesen sein; ob nun die
späteren Traditionen des ersten Mai auf die Illuminaten
zurückzuführen waren...
Ziel des Ordens war die
Vervollkommnung der natürlichen Vernunft im Sinne der
Aufklärung. Dies sollte mittels eines ausgefeilten pädagogischen
Systems von Ordensgraden geschehen, das zu immer tiefergehenden
Einweihungen führte, aber zugleich auch zu stärkerer
Disziplinierung, da ja der Aufstieg mit strenger Geheimhaltung
verbunden war. Stärkere Diszipinierung bedeutet gleichsam
bessere Kontrollierbarkeit.
Die Mitglieder erhielten bei ihrer
Aufnahme in den Orden neue Namen; sie konnten sich in drei
Ordensgraden empordienen, vom Novizen zum Minerval und schließlich
zum Erleuchteten Minerval.
Interessanterweise gehörte zu der
Mitgleidschaft in diesem Orden die Ablieferung versiegelter Briefe,
sogenannter Quibus licet, in denen über die Lektüre eines
vielfältigen, vom Orden ausgewählten Schrifttums berichtet
werden musste. Die Lektüreliste reichte von antiken Autoren bis
zur neuesten Literatur, durchdrang verschiedene Wissenschaften,
berücksichtigte sogar die Alchemie. Dieser Umstand wurde von
Robert Anton Wilson eindrucksvoll im Buch der Neue Prometheus
aufgeriffen, ohne dass er auch nur ein einziges Mal den
Illuminatenorden als Ursprung dieser Vorgehensweise erwähnte.
Aber
die Mitglieder hatten nicht nur fleißig zu lesen; sie sollten
auch beobachten, das unmittelbare berufliche Umfeld und sogar die
eigenen Familien. Das Dienst- und Demutssystem der Jesuiten, dem
Weishaupt zwar bewußt zu widersprechen suchte, das er in seinem
Ordenssystem aber auch nachahmte, wandelte sich so zu einem
Spionagesystem.
In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts
reformierte Adolf von Knigge, der Verfasser des berühmten
Anstandsbuches, den gesamten Orden. Er unterschied nun drei
Ordensklassen und innerhalb dieser Klassen zwischen Ordensgraden, z.
B. in Anlehnung an die Freimaurerei in der zweiten Klasse zwischen
Lehrling, Geselle und Meister. Darüber hinaus hat Knigge auch
erfolgreich unter Intellektuellen für den Illuminatenorden
geworben.
Doch noch bevor Knigge seine Reform ganz entwickelt
hatte, wurde der Orden von dem bayerischen Kurfürsten Karl
Theodor 1784 verboten.
Der offizielle oder vielleicht auch
vorgeschobene Grund...
Ordensmitglieder hatten Teile einer
außenpolitischen Korrespondenz entwendet, hatten sich also in
die Außenpolitik einzumischen versucht.
Also der erste Griff
nach er Weltherrschaft?
Wahrscheinlich nicht der erste!
Trotz
der formellen Auflösung des Ordens wirkten Mitglieder in
einzelnen Logen fort; und infolge des Aufruhrs um die angeblichen
geheimen Machenschaften des Ordens, der nun besonders von Jesuiten
und Rosenkreuzern veranstaltet wurde, erfuhren die Illuminaten großes
Aufsehen in der Öffentlichkeit. Sie wurden aller möglichen
Dinge verdächtigt; sogar der Ausbruch der Französischen
Revolution wurde ihnen angelastet.
Letztlich nahm man sogar an,
Adam Weishaupt habe George Washington beseitigt und sich selbst an
dessen Stelle als amerikanischen Präsidennten ausgegeben.
1896
wurde der Orden in Deutschland neugegründet, und 1924 ging er im
„Weltbund der Illuminaten" mit Sitz in Berlin auf.
Diese
Informationen stammen von Hans Grass und Robert Anton Wilson.
*
Aber was
besagte das schon?
Jody wohnte im Haus einer alten Dame namens
Josephine Weishaupt und es hatte 'mal einen Mann namens Adam
Weishaupt gegeben, der den Illuminatenorden gegründet hat,
dessen Spuren noch heute überall auf der Welt anzutreffen sind.
Wie viele Freimaurerlogen hatte man unterwandert?
War es gut
gewesen oder schlecht?
Waren die Ziele der Illuminaten für
oder gegen die Menschen gewesen, hatten sie die französische
Revolution befürwortet oder begünstigt oder sie gar mit
vorbereitet, oder waren es ihre Gegner, die Diskordianer gewesen?
Ich hatte schon einige Male mit Jody über die französische
Revolution geredet und in diesem Zusammenhang hatte mich fasziniert,
dass sie den 14.Juli eines jeden Jahres für ausgesprochen
wichtig hielt, ja noch wichtiger als den ersten Mai.
Letzten 14.
Juli hatte sie mich eingeladen.
Es hatte einen feierlichen Akt
gegeben, wir haben die französische Nationalfahne draußen
im Garten gehisst, Jody hatte zu diesem Zweck extra eine
Fahnenstange, wie ich sie aus ländlichen Gegenden kannte, in
denen das relativ junge Brauchtum des Schützenfestes noch hoch
gehalten wurde.
Ich hatte diese Umstände immer als
Äußerungen einer der Arbeiterbewegung nahe stehenden
jungen Frau gehalten, oder gedacht, sie wolle dadurch ihre
nonmonarchistische Geisteshaltung zum Ausdruck bringen, musste
nun im Nachhinein allerdings bedenken, dass der erste Mai nicht nur
der Tag der Arbeit war, sondern auch der Tag nach der Walpurgisnacht
und der Tag an dem Adam Weishaupt in Ingolstadt den Illuminatenorden
gegründet hatte.
Weil mich alle diese Gedanken nicht
weiterbrachten, was meine Suche nach Jody betraf, beschloss ich erst
einmal so gründlich wie möglich das Haus zu durchsuchen,
ohne den geringsten Hinweis auf das zu haben, was ich suchen sollte.
Scheinbar verließ ich mich in dieser Situation auf meinen
Instinkt, darauf, wenn ich den entscheidenden Hinweis sah oder in den
Händen hielt, einer Eingebung gleich zu wissen, was es war und
was ich davon zu halten hatte. Andererseits hatte ich sicher auch
voyeuristische Motive, wenn ich den Entschluss fasste, Jodys Haus
einer gründlichen Inspektion zu unterziehen, möglicherweise
reizte es mich, in ihren Besitztümern herumzustöbern, in
der Hoffnung, irgendwelche Hinweise vorzufinden, die mehr Aufschluss
über ihr Persönlichkeitsprofil gaben, als sie mir
bereitwillig zu geben bereit gewesen war.
Im Kaminzimmer
beschloss ich zuletzt nachzusehen, weil es relativ übersichtlich
gestaltet war und die wenigen Schubladen keine großen Dinge zum
Vorschein bringen würden, so dachte ich.
Die Küche war
der Raum, in dem ich meine gründliche Durchsuchung zu beginnen
gedachte, vielleicht auch mit dem Gedanken, ein Wenig zu Essen, denn
so langsam aber sicher meldete sich mein Magen, der dringend nach
Arbeit verlangte.
Ich aß Pumpernickel mit Käse und
nutzte die Gelegenheit, in der Küche alle Schubladen und
Schränke zu öffnen. Tatsächlich handelte es sich um
eine so alte Küche, dass der Kühlschrank und einige andere
Geräte als richtige Fremdkörper wirkten. Ich hatte eine
solche Küche noch nicht einmal während meines Studiums
gesehen, das sich historisch nicht vor die Bauhauszeit orientiert
hatte.
So alt wie die Küche erschienen mir natürlich
auch die Haushaltsgerätschaften, ich benutze diesen Begriff
bewusst, auch wenn mir klar ist, dass kaum jemand außer mir,
diese Gegenstände als Haushaltsgeräte bezeichnet hätte,
es sei denn, er wäre aus der Zeit ihres Entstehens gekommen.
Da
die Küche mir nicht viel Aufschluss geben würde und auch
alle anderen Räumlichkeiten ähnlich altmodisch gestaltet
und ausgestattet waren, entschied ich mich schnell zu einer anderen
Vorgehensweise.
Den Pappbehälter aus der Karibik hatte ich
im Kamin gefunden.
Wenn ich genau überlegte, hatte sich
dieses Haus, seit dem ich es regelmäßig betrat eigentlich
nicht verändert. Mit anderen Worten hatte Jody nur immer etwas
im Kühlschrank, um sich und ihren Gast - meines Wissens war ich
der einzige - nahrungs- und trinktechnisch versorgen zu können.
Sie schien keine Bücher gekauft zu haben, keine
Zeitschriften und keine Tonträger.
Auf direktem Wege begab
ich mich nun in ihr Schlafzimmer.
Normalerweise ist es nicht
meine Art in einen so intimen Bereich einer Dame einzudringen - so
zurückhaltend öffnete ich auch die Tür.
Ein großes
breites Bett stand mitten im Raum. Man konnte es umrunden und von
allen Seiten hineinsteigen. An den Wänden war eine durchgängige
Holzvertäfelung zu erkennen, wie sie eigentlich in allen Räumen
zu finden war. Jody hatte mir einmal erzählt, dass Tapeten
entsetzlich profan seien, die armen Leute hätten sich diese
Papierstreifen an die Wände geklebt, um die Atmosphäre in
den Häusern der Reichen nachzuempfinden. Sie sei der Meinung,
wenn man sich diese Atmosphäre nicht so schaffen könne,
brauche man sich auch keine Papierkulisse an die Wände zu
kleben.
Ein altmodischer Nachtschrank mit einer Flasche Wein
erregte meine Aufmerksamkeit.
Zögernd, als wolle ich
irgendeinen imaginären Zauber nicht zerstören öffnete
ich die Schublade des Nachtschrankes.
Was hatte ich erwartet?
Einen Dildo oder zumindest einige Ersatzbatterien?
Tampons
oder ähnliches?
Nun, was ich fand, war eine Pistole und die
dazugehörende Ersatzmunition.
Unten im Schrank standen
Schuhe.
Mit schnellen Schritten war ich an der Wand, die einen
geschlossenen Eindruck machte, aber die Kleiderschränke
verbergen musste.
Eigentlich hatte Jody immer etwas anderes
getragen. Mal hatte sie der Jeansmode der Siebziger Jahre des letzten
Jahrhunderts gefrönt, mal hatte sie indische oder hawaiianisch
Gewänder getragen...
Nein, das konnte nicht sein, denn die
hawaiianisch Gewänder verfügten, zumindest wenn sie
original waren, über die Eigenart des blanken Busens.
Eigentlich hatte sie fast immer indische anmutende Kleider oder
Jeans getragen.
Es gelang mit eine Vertäfelungsplatte
geringfügig am Rand in die Wand zu drücken, woraufhin
dieser Teil der Wand sich problemlos öffnen ließ.
Tatsächlich fand ich hier ihre Kleider vor, Kleider die ich
so oft an ihr bewundert hatte.
Im nächsten Wandteil, das ich
öffnete, fand ich Jeans und Jeansjacken in allen Farben.
Alles
Kleidungsstücke, die ich immer wieder gesehen hatte.
Ich
öffnete noch den Rest der Wand und war verblüfft.
Ich
hatte Jeans gefunden und Kleider, wie ich es nicht anders erwartet
hatte.
Ich fand Unterkleidung für alle erdenklichen
Witterungsbedingungen und Mäntel und Jacken.
Ich fand ein
erstaunliches Sortiment an Schuhen.
Und ich fand Kleidungsstücke,
die ich eher in einem Pariser Etablissement, als bei Jody erwartet
hätte.
Es handelte sich um ein komplettes Sortiment, wie man
es in Läden für Dessous vorzufinden erwartete...
Andererseits...
Auch wenn ich alles andere als ein
Dessousexperte war, konnte ich doch erkennen, dass da einiges zu
finden war...
Nein, woran erinnerten mich diese Kleidungsstücke?
Ich dachte nach.
Irgendwo hatte ich Frauen gesehen, die so
gekleidet waren.
Frauen, deren Kleidung nur einen Sinn zu haben
schien, neben dem Unterbringen von diversen Gegenständen, Männer
zu verwirren!
Neben dem Unterbringen von diversen Gegenständen...
Dolche, andere Messer, Morgensterne, Schwerter, Degen, Harnische.
Nein, solche Dinge stammten nicht aus der Vergangenheit, wie so
ziemlich alles in diesem Hause, sondern entstammten der Phantasie
eines Boris Vallejo, dessen Bilder mich vor Jahren so fasziniert
hatten, dass ich alle seine Poster an den Wänden hängen
gehabt hatte.
Hatte ich jemals mit Jody über Boris Vallejo
geredet?
Hatte ich überhaupt mit ihr über
Pantasiegeschichten, deren Inhalte und deren Illustrationen
gesprochen?
Gor die Gegenerde von John Norman, fiel mir ein.
Oder die Stories um Day Pescot auf dem Planeten Kregen, der um
die Doppelsonne Antares...
Die beiden Romanserien, letztere von
Alan Burt Akers, der eigentlich John Bulmer hieß, fielen mir
ein, als handele es sich dabei um die Realität!
Was ging
hier vor?
Was ging in meinem Kopf vor?
Aber handelte es sich
nicht bei dem Gang in die Karibik auch um Realität, um eine
Realität, die ich vor gut einer Stunde noch für absolut
irreal gehalten hätte?
Kleidungsstücke, die so auf
einem Bügel angeordnet worden waren, dass jedem Betrachter klar
wurde, dass sie zusammengehörig waren. Viele Menschen sortierte
so ihre Kleidung, sofern sie genug Kleidung und den ausreichenden
Stauraum zur Verfügung hatten.
Eine Lederjacke,
Lederstiefel, die bis über die Mitte der Oberschenkel
hinausreichten und...
Und nichts!
Ich konnte mich düster
erinnern, mal so etwas auf einem Bild von Boris Vallejo gesehen zu
haben.
Handelte es sich hier um die Requisite des Malers?
Handelte es sich um den Kostümfundus für den Film Gor?
Unterhielt Jody Kontakte zu SM-Szene?
Nein, SM schied aus,
dazu waren die Kleidungsstücke zu bequem, oder erschienen mir
zumindest so.
Slips aus Kettengliedern so filigran gearbeitet,
dass sie mit Sicherheit keine Ritzer in der Haut hinterlassen.
BHs,
die nicht nur über eine komfortable Bequemlichkeit zu verfügen
schienen, sondern auch in keiner Weise verstellbar waren, also für
eine Trägerin angefertigt worden waren.
Als ich einen der
BHs prüfend in den Händen hielt, wunderte ich mich darüber,
nun eine größere BH-Größe zu schätzen, als
ich es in den vergangenen Wochen und Monaten getan hatte.
Hierbei
handelte es sich mit Sicherheit um 75 c oder d.
Ich ging zu dem
Schrank zurück, in den ich die normale Unterkleidung
vorgefunden hatte und fand tatsächlich BHs der Größen
75 c und d vor; gut geschätzt.
Warum hatte ich immer
gedacht, sie wären kleiner...
Fast alle diese
Bekleidungsarrengements enthielten entweder im Gürtel oder Slip
- sofern vorhanden - einen kleinen schwarzen Kasten, der über
ziemlich seltsame, dem jeweiligen Kleidungsstück angepasste
Knöpfe verfügte.
Ich griff nach einem Gürtel und
betätigte einen der Knöpfe. ein leises Summen war zu hören
und die Luft um mich herum flimmerte einen Sekundenbruchteil.
Als
ich den Knopf ein weiteres Mal betätigte, hörte das Summen
auf und die Luft flimmerte noch einmal kurz.
Mit diesen
Informationen konnte ich ja so nicht viel, oder eigentlich gar nichts
anfangen, also brauchte ich andere Informationsquellen.
Ich war
mir schon fast sicher, auf diesem Planeten keinen solchen
Kleidungsfundus außerhalb des Hauses von Jody zu finden, als
ich darüber nachdachte, nach Bilderalben, Videocassetten und
Diamagazinen zu suchen.
Ich verschloss die Schränke und ging
durch die anderen Räume, um in den Schränken nach Alben und
der Gleichen zu suchen.
Nichts!
Es mutete schon seltsam an,
dass sich in diesem Haus nichts zu befinden schien, was auf ein Leben
schließen ließ, das hier geführt wurde.
Im
Badezimmer fand ich kein Parfum, sondern nur Handtücher und
andere Waschutensilien. Was mir auch erst jetzt auffiel war das
völlige Fehlen von Hygieneartikeln, wie Frauen sie während
ihrer Periode brauchten.
Komisch!
In der Waschmaschine, ja,
es gab eine Waschmaschine, fand ich zwei Jeans und vier T-Shirts,
sowie einen BH.
Ansonsten war das Badezimmer ziemlich
unerheblich.
Ich kam auf den Gedanken zurück, der mir in der
Küche gekommen war, bevor ich mich in das aufschlussreiche
Schlafzimmer begeben hatte.
Aber bevor ich diesen Gedanken
weiterverfolgte kehrte ich noch einmal in das Schlafzimmer zurück.
Ich fand tatsächlich keine Schlafkleidung, weder im Schrank,
noch im Bett.
Mein Gedanke in der Küche war davon
ausgegangen, dass Jody in relativ zwanghafter Weise ihre Sachen
geordnet hatte.
Nur die Eisverpackung in Kamin passte nicht in
dieses Bild, ebenso wie die geöffnete Tür zu dem Gang in
die Karibik.
Wenn Jody das Gebäude verlassen hatte, konnte
sie ihren Alpha genommen haben, oder mittels des Bücherregals...
Dann wäre sie auf dieser Bermudainsel.
Dagegen sprach
deutlich die gelbrote Pappverpackung.
Zielstrebig ging ich in den
Flur mit den vielen Türen und sah sie mir genauer an.
Vor
einer der Türen fand ich tatsächlich eine Sicherheitsnadel
auf dem Teppich des Flures.
Ich kehrte wieder zurück in
Jodys Schlafzimmer.
In dem Schrank mit der Boris-Vallejo-Kleidung
fand ich einen leeren Bügel. Wenn ich genau hinsah, konnte ich
ein System in der Anordnung der Kleidung erkennen?
Ich nahm den
einfachen Gürtel mit, der zuvor gebrummt hatte und die Pistole
aus dem Nachtschrank, bei der es sich um eine 45er Magnum von Smith &
Wesson handelte; fünf Kugeln in der Trommel.
Wenn ich mir
das ganze mögliche Outfit so ansah, konnte es hinter den Türen
nicht sehr kalt sein, also stand ich eine gute halbe Stunde später
mit Jeans, T-Shirt, dem besagten Gürtel, der Smith & Wesson
sowie dem Schwert in der Scheide vor der Tür vor der ich die
Sicherheitsnadel gefunden hatte.
Ich wusste, dass ich auf dem
berühmten Holzweg sein konnte, als ich die Tür öffnete,
die, nach Meinung des Architekten in mir, nur in einen kleinen
begehbaren Schrank oder eine Vorratskammer führen konnte.
Hinter der Tür war es dunkel, dunkler als in der Nacht vor
dem Haus.
Ich machte einen Schritt nach vorne und dann noch
einen.
Ein dumpfes Geräusch hinter mir signalisierte mir,
dass die Tür sich ohne mein Zutun geschlossen hatte.
Ich
drehte mich um und hatte nach zwei drei Schritten die Tür wieder
erreicht. Ohne Schwierigkeiten konnte ich sie öffnen und wieder
auf den Gang zurückkehren.
Gut, der Rückweg schien zu
funktionieren, zumindest, wenn man sich noch in der Nähe der Tür
befand. Da es mir und in diesem Falle insbesondere Jody nichts
nützte, wenn ich untätig in diesem Gang stand, machte ich
auf dem Absatz kehrt und ging zurück, durch die ominöse Tür
in einen dunklen Vorratsraum, der nicht enden wollte.
Ich spürte
unter meinen Füßen einen glatten ebenen Untergrund, ohne
etwas zu sehen. Wenn ich geringfügig nach links oder rechts
abdrehte, kam ich auf einen knirschenden Kies, also ging ich weiter
geradeaus.
Es ist schon ein seltsames Gefühl in absoluter
Finsternis einen schmalen Pfad zu gehen.
Ich hatte meine Schritte
gezählt. Nach dem 23sten Schritt wurde es heller.
Es sah so
aus, als befinde ich mich nun in einem Gang, der aus blankem Fels
gehauen sei.
Die Temperatur war schon erheblich angestiegen, ein
heißer Luftstrom raubte mir fast den Atem.
Keine Sekunde
hatte ich bisher tatsächlich geglaubt, was ich nun vor mir sah.
Ja, ich hatte gar nicht zu erwarten gewagt, dass diese Tür
tatsächlich an einen anderen, einen fremden Ort führen
würde.
Ich war tatsächlich an einen Ort geraten, wie ich
ihn mir niemals vorzustellen gewagt hätte.
Doch der Gang in
die Karibik hätte mich warnen müssen.
Immerhin hatte ich
mich entsprechend dem, was ich aufgrund des Kleiderschrankes
erwartet hatte gekleidet. Die Hitze war wirklich bemerkenswert. Die
Luftfeuchtigkeit musste deutlich über 100% liegen. Mir brach der
Schweiß aus. Diese Hitze gepaart mit dieser Luftfeuchtigkeit
konnte einem schon den Atem rauben. Unter diesen klimatischen
Bedingungen verstand ich auch den Fundus in Jodys Schrank als
durchaus angemessen.
Woher die diffuse Beleuchtung rührte,
konnte ich nicht erkennen, jedenfalls warf ich keinen Schatten, wohin
ich mich auch wandte; ich konnte nur den schmalen Pfad und die
umgebenden Felswände erkennen.
Ferne Geräusche drangen
an meine Ohren, wahrscheinlich konnte ich sie in dem Moment
wahrnehmen, in dem ich stehen geblieben war und selbst keinen Laut
mehr verursachte.
Was waren das für
Geräusche?
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