Links zu Texten des selben Autors: An Archie, Der erste Tag der Jagd, Bambule Roadmovie, Löcher in der Welt, Metromania, Bewegung im Raum
Dieser Text wurde 1985 begonnen und hat sicher, angesichts von AIDS und BSE, nichts an Aktualität eingebüßt. Der Autor hat ihn unseres Wissens nach noch nicht ganz fertig gestellt.
Ein Ende ist immer ein
neuer Anfang.
Die Gefahr geht
innerhalb anarchistischer Gesellschaftsstrukturen nie - und ich
betone nie - von Anarchisten aus, sondern immer nur von
Einzelpersonen oder Gruppen, die bestrebt sind, den Zustand der
Anarchie zu widerrufen, um sich selbst in Machtpositionen gegenüber
anderen zu bringen.
Wer wirklich für
die Anarchie ist, ist auch gleichzeitig gegen Machtausübung,
egal durch wen.
Prolog
Vier Monate vor dem
Beginn des Endes.
Ein unbeteiligter
Beobachter hätte gestaunt, als Anslinger grinsend das Funkgerät
fortlegte, seinen Ford Bronco verließ und der hoch am Himmel
stehenden Sonne den Rücken zukehrte.
Aber,
und das ist völlig sicher, einen unbeteiligten Beobachter gab es
nicht.
Anslinger konnte nun sicher
sein, dass der nächste Wagen, den er in dieser bizarren
Landschaft sehen würde, der Wagen sein würde, auf den er
schon mehrere Stunden gewartet hatte.
Er
steckte sich eine Zigarette in den Mund, die er dann mit einer
entschiedenen Bewegung zu Boden warf und zertrat bevor er überhaupt
nach seinem Feuerzeug gegriffen hatte.
Verächtlich
grinsend dachte er an das, was er in Vegas tun würde, wenn der
Rest des Geldes in seinen Händen war.
Eigentlich
schade, dass er ausgerechnet an einem Tag wie diesem seinem Auftrag
nachkommen musste. Viel lieber hätte er beim letzten Drugstore,
an dem er vorbeigekommen war, die luftig gekleidete Tramperin
mitgenommen, die ihn angesprochen hatte - in so einer einsamen Gegend
hätte sie sicher nicht gewagt, nein zu sagen.
Er
öffnete die unverschlossene Heckklappe des Geländewagens
und nahm vier auffällige weiße Ringe heraus, ganz normale
Autoreifen der Marke Firestone, die ihre Schläuche mit mäßigem
Luftdruck enthielten und mit einigen Hundertmetern Verbandmull
umwickelt worden waren.
Heidenarbeit.
Er band die präparierten Reifen als
Flankenschutz an die Seite seines Wagens, wie man es von
Barkassen her kannte.
Eigentlich
konnte er diese Schmierfinken - er hielt alle Journalisten und
anderen Schreiberlinge dafür - nicht leiden, hatte sie noch nie
leiden können und war froh, dass es bald einen weniger geben
würde.
Wie konnte so ein
Dreckskerl auch dem CIA vorwerfen, das Teufelszeug stamme aus den
Labors der Regierung und sei im Auftrage des Vatikans produziert
worden?
Als er die Geräusche
eines sich nähernden Autos hörte, saß er bereits
hinter dem Lenkrad seines Broncos.
Er
fuhr los und ließ seinen Wagen betont langsam die
Serpentinenstrecke hochkriechen.
Als
er dann den anderen Wagen im Innenspiegel sah, machte er eine
angenehme Entdeckung.
Die Tramperin,
die am Drugstore auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet hatte, saß
neben dem Schmierfinken.
So eine
Scheiße!
Andererseits konnte man
natürlich den Unfall auch durch ihre Anwesenheit zu erklären
versuchen, warum nicht.
War sicher
sowieso nur so eine billige Hure, wie alle, die so rumliefen.
Anslinger konnte Frauen die trampten noch nie
leiden, hatte sie aber immer mitgenommen, vorausgesetzt, die Strecke
war einsam genug. Nun man sollte die Gelegenheiten nutzen, wie sie
sich boten - wie sie sich anboten.
War
nicht schade um diese Schlampe!
Anslinger
fuhr betont langsam und zu weit in der Mitte der Fahrbahn.
Mit Genugtuung sah er im Spiegel, dass der Wagen
dieses Schmierfinken immer hin- und herpendelte, um auf eine
Gelegenheit zu lauern, ihn zu überholen.
Dieses
Spiel machte ihm Freude.
Oh, er konnte
solche Spiele ausdehnen, er konnte lange spielen und sich an seinem
Sieg ergötzen.
Und er hatte immer
gesiegt, immer.
War er es nicht, der
den Sieg schon in der Tasche hatte?
Anslinger
hatte sich die Stelle gut ausgesucht, er war gründlich,
ordentlich, zuverlässig und katholisch.
An
einer Stelle, an der der Abgrund neben der Strasse besonders tief und
bodenlos war, fuhr er weit nach links, um dem Journalisten
Gelegenheit zum Überholen zu geben.
Anslinger
fuhr so weit links, wie die Gesinnung des Schmierfinken in Anslingers
Augen war.
Als der Journalist Gas gab,
um Anslingers Bronco zu überholen manifestierte sich ein breites
Grinsen in Anslingers Gesicht, das Grinsen des Sieges.
Mit einem Ruck riss Anslinger das Lenkrad herum -
genau im richtigen Moment - die umwickelten Reifen an der rechten
Seite des Bronco berührten den Wagen des Journalisten, der
verzweifelt gegenlenkte.
Es war kein
großer Akt, den kleineren und leichteren Wagen von der Strasse
zu drängen, der Abgrund war gut gewählt, das wusste
Anslinger ganz genau, das wusste er immer genau.
Anslinger war eben Profi.
Anslinger
stoppte den Bronco, ließ den Motor laufen und stieg aus.
Zunächst löste er die vier Reifen von
der Flanke des Wagens - es waren keine Spuren der Berührung mit
dem anderen Fahrzeug sichtbar - dann warf er sie hinten auf die
geschlossene Ladefläche. Erst als er die Heckklappe wieder
geschlossen hatte, wandte er sich dem Abgrund zu.
Der
Wagen hatte sich überschlagen und lag reichlich lädiert
etwa zwanzig Meter unter ihm, diese letzten zwanzig Meter musste er
gerollt sein.
Anslinger machte immer
ganze Arbeit, so auch dieses Mal.
Er
kletterte den Abhang hinab, um sich vom Ableben des Schmierfinken und
seiner Nutte zu überzeugen.
Den
Journalisten fand er schnell im Wagen, dem konnte keiner mehr helfen,
aber wo war die Nutte geblieben?
Eines
zumindest war sicher, wenn sie noch lebte, konnte sie nicht weit
gekommen sein, nach einem solchen Unfall.
Er
suchte systematisch die Umgebung ab und hatte sie schon bald
gefunden, sie lag in einer Senke nahe des unbrauchbar gewordenen
Wagens.
Sie lag auf dem Rücken
und Anslinger konnte deutlich erkennen, dass sich ihr Brustkorb
langsam hob und senkte.
Als er näher
kam, drang ein gequältes Stöhnen an seine Ohren.
Der konnte geholfen werden.
Mit
groben Griffen riss er ihr die Jeans vom Leibe.
Zufrieden
stellte er fest, dass er doch noch zu seinem Vergnügen kommen
sollte, öffnete seine Hose und ging ans Werk.
Nach
kurzer Zeit, Anslinger war gerade fertig, stellte er fest, dass die
junge Frau das Atmen eingestellt hatte.
Zufrieden,
mit sich, Gott und der Welt machte sich Anslinger wieder an den
Aufstieg. Schon abends wollte er in Vegas sein und die Sau
rauslassen.
Kurz bevor er sich auf die
Strasse zog hörte er, dass das Motorengeräusch seines
Broncos verstummt war. Verärgert richtete Anslinger sich auf und
konnte gerade noch den Stiefel sehen, der ihn voll ins Gesicht traf.
Mit einem erstickten Schrei stürzte Anslinger
den Abhang hinab und schlug mehrmals mit dem Kopf gegen die Steine
des felsigen Bodens.
Das war wohl Anslingers
letzter Auftrag gewesen.
Ungerührt
blickte der Mann in den Stiefeln Anslinger nach und griff nach dem
Funkgerät, das zuvor Anslinger benutzt hatte.
Alles
was er tat, war perfekt, er war cool und würde es bleiben, bis
zu seinem unerwarteten Ende.
Er drückte
die Sendetaste.
"Sagt Carola, der
Drachen kann steigen!"
Mit einer
entschiedenen Bewegung schob er die Teleskopantenne ein, setzte sich
in den Bronco und fuhr los, Richtung Vegas.
Er
hatte sich eine Abwechslung verdient, hatte er doch die letzten Tage
in einem billigen Zelt gehaust und auf seinen Einsatz gewartet.
Souverän lenkte er den Bronco den Weg zurück,
den er zuvor mit Anslinger gekommen war.
Dieser
Anslinger war doch wirklich nichts weiter, als einer dieser Killer,
die sich für einen Profi hielten. Gut, er war zwar kein
schlechtes Werkzeug gewesen, aber immer noch gut genug für einen
billigen Job.
Was allerdings völlig klar
war, und dass hätte Anslinger niemals wahrhaben wollen, er war
mindestens zwei Nummern zu klein, für die Organisation, für
die er bei seinem letzten Auftrag gearbeitet hatte.
Der
Mann mit den Stiefeln fuhr munter pfeifend an dem Drugstore vorbei,
an dem der Journalist die Biene aufgerissen hatte.
Der
Hubschrauber kreuzte auf seinem Flug den Highway mit dem Bronco.
Der Pilot drückte grinsend auf den Sender mit
dem Fernzünder.
Der Ford Bronco flog
auseinander, als wäre er auf eine Miene in Vietnam gefahren.
Das waren noch Zeiten.
Der
Pilot griff zum Funkgerät.
"Sagt
Opus, die Engel fliegen!"
In einer
eleganten Schleife zog er den Hubschrauber herum.
Ja,
das war besser als Vietnam und es würde noch besser werden.
Gelb, was habe
ich gegen Gelb?
... sie hatten aber
alle keine erkennbaren Gesichter. Immer wenn ich meinte ein Gesicht
erkannt zu haben, es gedanklich zu ergreifen, es festzuhalten, wurde
mir die Unwirklichkeit dessen bewusst, was ich zu erleben nur
zeitweise realisierte.
Gestalten, die durch
meine Gedanken irrten. Immer wieder versuchte ich einen von ihnen zu
berühren, versuchte eine Gestalt zu halten, zu identifizieren,
doch immer wieder, entglitt sie meinen imaginären Fingern und
wehte davon.
Die Musik war lauter geworden.
"a dream within a dream"
Wo
war die Zigarette geblieben?
Ich versuchte
einen der Menschen mit Gewalt zu halten, hatte ich doch in Träumen
immer übermenschliche Kräfte, war ich im Traum immer
unüberwindbar, unbezwingbar...
Er löste
sich vor meinen Augen, unter meinen Händen auf, als hätte
er nie existiert, als wäre er tatsächlich nichts anderes
als ein Gedanke gewesen, ein Gedanke an Menschen, Menschen, die es
nicht mehr gab.
Die Farbe gelb wurde
dominanter.
Einer der Hügel erhielt eine
gelbe Spitze.
Die Musik wechselte.
Ich
hörte, dass Kate Bush mir eine Aufforderung ins Ohr säuselte.
"It"s only cold,
And
make a deal with god
we'r running up that
road
we'r running up that hill
We'r
running up that building"
Nein ich
wollte diesen Hill nicht uprunnen, wollte nicht das Gebäude
erklimmen, wollte nur meine Ruhe haben.
Das
musst Du verstehen!
Ich mache auch keinen
Deal mit God, warum ist das alles so unabänderlich gelb?
Wird immer gelber und gelber.
Es
war wirklich ziemlich cold, und wurde immer colder.
War zu cold...
Nun an
meinen Beinen hochgecoldet.
Nein, das war zu
gelb!
Flucht!
Warum,
es ist doch ein Traum?
Trotzdem, das ist zu
gelb und kommt gleich down the hill...
Unsinn!
Aber meine Beine sind doch schon
festgefroren, wenn ich nicht gehe, werden sie abbrechen und wie soll
ich dann je wieder gehen?
Es wurde immer
gelber und kam down den Hill.
Nein! Weg!
Nicht!! Gelb!!! Kein Deal!!!!
Die Sonne...
Ihre Strahlen stachen durch die verbliebenen
Fragmente der Fensterscheibe direkt in mein Gesicht, hatten mich auf
diese Weise geweckt, trugen dazu bei, mir neues Leben einzuhauchen,
mich aus einer wochenlangen Apathie erwachen zu lassen und mich
erstmals wieder bewusst denken zu lassen.
Wo
war ich?
Wo war ich überhaupt gewesen,
in den letzten Tagen, Wochen, Monaten?
Ich
stand auf und stellte mit einem Blick fest, dass ich diesem Raum
nichts Essbares finden würde.
Ein kurzer
Blick aus dem Fenster, ein überdimensionaler Kaktehenbusch -
Opunzia robusta - und Hanfpflanzen, so weit das Auge reichte, wobei
die Sonne wohl erst vor ein paar Stunden aufgegangen war und den Tag
schon erwärmt hatte, bevor sie den Weg in mein Gesicht gefunden
hatte.
Der Raum, in dem ich geschlafen hatte,
war kärglich eingerichtet und schien schon lange nicht mehr
bewohnt gewesen zu sein.
Konnte ich in diesem
Haus etwas Essbares finden?
Sicher nur, wenn
ich endlich anfing zu suchen!
Ich fand
schnell die angrenzende Küche, die sich ebenso als Enttäuschung
entpuppte, wie der Rest des kleinen Hauses; nichts was man essen
konnte.
Ich fand überhaupt keine
Nahrungsmittel, wenn man mal von dem Tee absah.
Ein
unterdrücktes Knurren!
Ich fuhr herum...
Nichts, nur mein Magen!
Aber
warum war ich so reaktionsbereit? Was hatte ich in den letzten Wochen
und Monaten erlebt, dass ich zu solchen übertriebenen Reaktionen
neigte?
Ich verließ das Haus, in dem
sowieso nichts zu finden war, was auch immer ich suchte.
Trinken, Essen und der auch vor allem Erinnerung!
Vor dem Haus entdeckte ich einen Spaten, bei
dessen Anblick sich mir der Magen umdrehte. Wie sollte man sich
übergeben, wenn man einen leeren Magen hatte?
Ich
machte einen angemessenen Bogen um den Spaten, um die Ecken des
weißen Hauses zu umrunden, natürlich nicht eines
beliebigen Hauses, sondern die Ecken des Hauses, in dem ich
geschlafen hatte.
Ich erinnerte mich an die
Adjektivplatzierung im Französischen, die einen
Unterschied zwischen la blanc Maison und la Maison blanc machte.
Ich
stieß mir den Kopf am linken Außenspiegel eines geparkten
Ford Transit.
Oh Mann!
Ich
hatte einen Blick in den Spiegel erhaschen können, den ich nicht
zu wiederholen gedachte.
Das sollte ich sein?
Ich, der ich mich immer eine stattliche
Erscheinung gewesen war?
Ich blickte an mir
hinunter. Die Hose hatte mir gepasst, ich erkannte sie an den
Flicken, die ich selbst aufgebügelt hatte, um sie danach zu
umnähen - und jetzt wurde sie nur noch von dem Gürtel
gehalten, der bisher keine praktische Daseinsberechtigung gehabt
hatte.
Was war in den letzten Monaten
geschehen? Was für eine Veränderung war vor sich gegangen?
Wo war ich? Was wusste ich nicht mehr, denn ich war sicher, ich hatte
einen großen Teil der letzten Zeit vergessen oder verdrängt.
Verdrängt!
Wahrscheinlich
hatte ich die mir fehlenden Fakten verdrängt, konnte ich mich
doch sonst auf mein Gedächtnis verlassen.
Aber
warum sollte ich irgend etwas verdrängt haben?
Warum?
Die linke Seitenscheibe des Ford Transit war
hinuntergekurbelt und ich konnte sehen, dass der Zündschlüssel
steckte.
Ich nahm ihn an mich und sah mir das
Bild an, das in Kunststoff eingegossen war und die Aufgabe eines
Schlüsselanhängers übernommen hatte.
Bot
sich nun eine Gelegenheit, gewisse Verdrängungsprozesse
rückgängig zu machen? Das Bild zeigte eine Familie, Frau,
Mann und fünf Kinder.
Ich legte den
Schlüssel auf die vordere Sitzbank und ging weiter.
Wie
eine Marmorstatue, Salzsäule oder sonst was solides blieb ich
wie angewurzelt stehen.
Mein Blick war auf
eine freie Stelle hinter dem Kleinbus gefallen, auf eine
unübersehbare Lücke in dem Grün der Bepflanzung, auf
einen Flecken brauner Erde, die man aufgehäuft hatte, aufgehäuft
zu sieben Gräbern, von denen zwei größer waren als
die anderen fünf, ein Familiengrab!
Ich
weiß nicht, wie lange ich brauchte, um wieder klar sehen zu
können, aber es wird schon eine Weile gedauert haben.
Es
fiel mir nicht schwer, einen Zusammenhang zwischen dem
Schlüsselanhänger und dem Familiengrab zu sehen, aber was
hatte mich an einem harmlosen Spaten so sehr irritiert?
Hatte
ich die Familie begraben?
Warum hatte ich
nicht die dafür zuständigen Behörden informiert?
Warum waren keine anderen Menschen in der Nähe?
Warum konnte ich mich nicht erinnern, mit
anderen Menschen gesprochen zu haben, in der letzten Zeit?
Ich
ging weiter, um das nächstbeste Haus zu durchsuchen.
Nichts, wenn man von ein paar Dosen Dolmadakia und
einem lässigen amerikanischen Dosenöffner absah.
Ich
erwählte dieses Haus zu meinem vorläufigen Basislager,
wobei ich bei dem Gedanken au ein Basislager grinsen musste und
durchsuchte systematisch die anderen Häuser.
Alles
was ich an brauchbaren und essbaren Dingen fand, trug ich zusammen.
Warum hatte ich all die Gegenstände aus
den unverschlossenen Häusern zusammengetragen?
Gab
es einen Grund, etwa anzunehmen, dass die Bewohner die Gegenstände
nicht mehr brauchen würden? War anzunehmen, dass sie nicht
zurückkehren würden, um ihre Häuser wieder zu
bewohnen?
Außer dem Familiengrab hatte
ich nichts gefunden, was auf Tote schließen ließ.
Das
einzige was mir aufgefallen war, als ich die Häuser des Dorfes
durchsucht hatte, war dieser bewohnte Eindruck, als wären die
Bewohner nur ein paar Minuten rausgegangen, als würden sie jeden
Augenblick zurückkehren können.
Aber
warum hatte ich unter diesen Umständen die Häuser
geplündert?
Geplündert?
Geplündert!
Ja,
ich hatte geplündert, wie sollte man es anders benennen?
Gab es da nicht so eine Geschichte, dass man
Plünderer in Krisengebieten sofort erschoss?
Katastrophengebiet?
Das
einzige, was man als Katastrophe ansehen konnte, war vollständige
Abwesenheit lebender Menschen und ob man das als Katastrophe werten
konnte erschien mir höchstgradig fragwürdig.
Ich
machte zunächst einmal Wasser heiß, um den obligatorischen
Cai zu produzieren wenn schon Türkei, dann auch richtig.
Da die Stromversorgung nicht mehr funktionierte,
musste ich auf eine Propangasflasche nebst Druckminderer
zurückgreifen, deren Besitzer ich in höchsten Maßen
dankbar war.
Nach einem Essen, das für
mich ein richtiges Festmahl war bestehend aus dem Inhalt der
Dolmadakiadosen und einer halben Kanne des Tees, der seine Wirkung
tat, beschloss ich, die nähere Umgebung des Dorfes zu erkunden.
In einer so unerklärlichen Situation,
wie ich sie durchlebte, konnte man nie vorsichtig genug sein, konnte
man nie genug Informationen haben, um sie im Rahmen einer richtigen
Kombination so genannter aristotelischer
Logik, zu den einzig richtigen Schlussfolgerungen zu verwerten.
Ich
schwang mich hinter das Lenkrad des bereits erwähnten Transit,
dessen Motor zwar unwillig aber doch zuverlässig ansprang.
Auf
der einzigen Strasse, die durch das Dorf führte, wich ich einer
Schildkröte aus, wobei ich allerdings dachte, dass ihr Panzer
den Ford verkraften musste.
Ich fand eine
Cassette und steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz des
Rekorders, um das unablässige Quietschen des Fahrwerkes zu
übertönen.
Oh, nein, türkische
Folklore hatte mich noch nie gefesselt.
Nachdem
ich die Musikwiedergabemaschine deaktiviert hatte,
fühlte mich wieder etwas besser.
Ich
befuhr einen holprigen Feldweg, der den alten Transit in seinen
Grundfesten erschütterte, um sehen zu können, was sich
hinter der Hügelkuppe verbarg.
Was war
das?
Nein!
Ich trat
neben die Bremse und der Wagen streifte eine Palme bevor er holpernd
stehen blieb.
Ich hatte meinen Alptraum, der
letzten Wochen gefunden, dieser Alptraum stand vor mir, groß
und gelb und nannte sich Caterpillar - gelb und nannte sich
Caterpillar.
Das war es, was mich die letzten
Wochen beschäftigt hatte, was ich aus meiner Erinnerung
auszumerzen versucht hatte, so weit ausgemerzt hatte, dass ich beim
Aufwachen nicht mehr gewusst hatte, was hinter mir lag und dass ich
nicht gewusst hatte, dass ich dieses Massengrab mit dem dorfeigenen
Caterpillar angelegt hatte.
Mit lautem
Getriebekrachen schaltete ich in den Rückwärtsgang, um so
schnell wie möglich diesen Ort der Erinnerungen hinter mir zu
lassen.
Der Ford machte einen Satz nach
hinten und prallte gegen die Palme, die er zuvor gestreift hatte.
Nach ein paar weitere Manövern war es mir gelungen den
schaurigen Ort zu verlassen.
In meinem Gehirn
spukten alle möglichen und unmöglichen Gedanken herum, die
alle nur über eine Gemeinsamkeit verfügten, sie waren
allesamt konfus.
Konfus!
Wie
konnte ein solches Wort auf Konfuzius zurückgehen?
Vielleicht
weil ihn seine Zeitgenossen und Nachfahren nicht verstanden hatten?
Vielleicht weil ihnen seine Beweggründe verborgen geblieben
waren!
Nein!
Alles
nur nicht das!
Ich versuchte an alles
mögliche zu denken, was der Lehre des Christentums zuwider war,
dachte an sexuelle Ausschweifungen, Mischehen, Abtreibungen,
Masturbation, schwarze Messen und Vielgötterei.
Nein,
so konnte ich meinen Problemen nicht gerecht werden.
Drohte
ich wieder in den Zustand der geistigen Umnachtung versinken, den
ich, so hoffte ich, ein für allemal verlassen hatte?
Ein
Dorf in der Türkei!
Ein Familiengrab!
Ein Caterpillar!
Ein
Massengrab!
Ein Deutscher!
Ein
Dolmus!
Viktor!
Ich!
Warum waren alle diese Menschen nicht mehr am
Leben?
Warum gab es keinen Strom mehr?
Obschon in der Türkei war die Abwesenheit von Strom nichts
Besonderes, es gibt immer wieder keinen Strom, wie es immer wieder
kein Wasser gab.
Warum aber kam keine Hilfe?
Warum konnte ich mich nicht erinnern, in den
letzten Wochen Menschen gesehen zu haben?
Vielleicht
hatte es in diesem Teil der Türkei eine Seuche gegeben, die nur
ich überlebt hatte?!
Aber wo war dann
das Rote Kreuz, wo der Türkische Halbmond?
Mir
kam ein Gedanke, der in seiner Tragweite alles mir vorstellbare in
den Schatten stellte.
Vielleicht hatte diese
Seuche die ganze westliche Türkei heimgesucht und es würde
noch Wochen dauern, bis Hilfe eintraf.
Aber
warum hatte ich dann noch nicht einmal Flugzeuge und Hubschrauber
gesehen?
Ich versuchte mich zu erinnern, ob
ich beim Zusammentragen der nützlichen Gegenstände ein
batteriebetriebenes Transistorradio gesehen hatte, was mir allerdings
nicht gelang.
Mein Blick fiel auf den zuvor
benutzten Cassettenrekorder im Armaturenbrett und ich trat wieder auf
die Bremse, ohne einen Blick in den Innenspiegel geworfen zu haben,
wozu auch?
Das Gerät, das ich für
einen Cassettenrekorder gehalten hatte war ein Cassettenradio und ich
fand sehr schnell den Schalter, um es einzuschalten.
Die
türkische Folklore, die ich erwartet hatte blieb aus.
Eigentlich blieb alles aus, was so ein Sender senden
konnte.
Ich drehte an dem Knopf, mit dem man
Sender sucht.
Nichts, nur dieses unentwegte
Rauschen!
Vielleicht war das Radio nicht in
Ordnung?
Ich versuchte die anderem Kanäle.
Nichts, gar nichts!
Was
sollte das?
Ich gab nicht auf.
Da,
da war doch was!
Ja, ich hatte Musik
gefunden.
Es klang wie Pink Floyd, ich hätte
jede Wette auf mich genommen es musste sich um The Wall handeln!
Und
da kam es schon!
"We don"t need no
edukation!
We don"t need no
Thought-controll!
No dark sarcasm in the
class-room!
Teachers leave us kids alone!
Hey, teachers, leave us kids alone@
All
in all it's just another brick in the wall!
Hey,
teachers, leave us kids alone!
All in all
it's just another brick in the wall!
Es ist
nicht zu beschreiben, wie gut diese Klänge meiner angegriffenen
Psyche taten!
Sie waren eine unbeschreibliche
Wohltat! Meine Gedanken wurden aus der Realität gezerrt und
gingen auf in diesen Klängen.
Klängen
die ich so lange gemisst hatte.
Langsam fuhr
ich zum Dorf zurück, wobei ich das Radio so laut wie möglich
gemacht hatte, ohne dass es schepperte.
Irgendwann
würde gesprochen werden und irgendwann würde man auch
Nachrichten senden, dann würde ich erfahren, was los war.
Ich kam gar nicht auf den Gedanken, dass ich die
Sprache des Nachrichtensprechers nicht verstehen könnte, wurde
allerdings eines besseren belehrt, als die Musik zuende gegangen war.
Wie ein Wasserfall redete eine Stimme.
Ich
konnte die Sprache nicht eindeutig als spanisch oder italienisch
identifizieren, was von wenig Nutzen gewesen wäre, verstand ich
doch beide Sprachen nicht.
Nur eines fiel mir
auf, zwei Worte, die ziemlich häufig wiederholt wurden und wohl
eine zentrale Bedeutung im Sender haben mussten.
"Terra
futura!"
"TERRA FUTURA!"
Konnte das der Name des Senders sein?
Warum
nicht?
Mir war zwar kein Sender dieses Namens
bekannt, aber ich konnte ja auch nicht alle mediterranen Sender
kennen.
Es folgte Musik, die in etwa dem Stil
von Pink Floyd entsprach, vielleicht von Genesis oder Yes, ich weiß
es nicht.
Ich beschloss, den Sender
eingeschaltet zu lassen, um keine Sendung zu verpassen, die in einer
Sprache erfolgte, die ich Verstand.
Wenn man
nur einen Sender empfangen konnte, war es sehr nützlich, dass
dieser Sender sich verschiedener Sprachen bediente.
Vor
dem Haus, das ich zum Basis meiner Operationen auserkoren hatte,
hielt ich an und ließ das Radio weiterplärren, als das
Geräusch des Motors erstarb.
Ich blieb
hinter dem Lenkrad sitzen und versuchte meine Situation zu
analysieren, wobei ich ernsthaft bemüht war, alle vorhandenen
Prämissen in unverfälschter Weise zu benutzen, um somit zu
einer unverfälschten Konklusion zu gelangen.
Die
Musik wechselte, man konnte nun der unnachahmlichen Stimme Joe
Cockers lauschen, der einen seiner älteren Evergreens zum Besten
gab.
"Don't you love me anymore."
Ich befand mich also in einem Dorf, in der
Türkei, in dem Menschen gestorben waren, wobei der Tod mich
übersehen haben musste. Das unerklärliche Sterben musste
auch die Nachbardörfer erfasst haben, denn sonst wären
schon Menschen aufgetaucht, um nach überlebenden Verwandten zu
suchen, türkische Familien entwickeln ein ausgesprochen starkes
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Weiter
war anzunehmen, dass das unerklärliche Massensterben nicht nur
die Dörfer in der näheren Umgebung ergriffen haben musste,
sondern weiter um sich gegriffen hatte, denn sonst wäre bereits
Hilfe aus weiter entfernteren Teilen des Landes herbeigeeilt, ganz zu
schweigen vom Ausland.
Die Katastrophe musste
also wesentlich größere Ausmaße haben, als ich es
zunächst vermutet hatte - vielleicht die ganze Türkei?
Aber dann hätte das Radio nicht so
ungewohnt geschwiegen, hätten noch andere Sender existieren
müssen. Ich hatte aber nur einen einzigen Sender gefunden.
Vielleicht war ja auch der ganze
Mittelmeerraum betroffen.
Es würde
Monate dauern, bis Hilfe eintraf!
Monate!
Was für ein Datum hatten wir?
Ich
sah mir die Hanfpflanzen genauer an.
Wir
hatten Frühling!
Wo war der Winter
geblieben?
Hatte ich den ganzen Winter damit
zugebracht, vor mich hinzudämmern und caterpillarzufahren?
Vielleicht sollte ich den Tag meines
unverhofften Erwachens als den Tag meiner zweiten Geburt festlegen!
Dazu hätte ich aber das Datum kennen
müssen!
Man konnte also die Tatsache
meines Überlebens als außergewöhnlichen Zufall
deklarieren, wenn man bedachte, dass meines Wissens außer mir
nur noch dieser Spanier - oder war es ein Italiener - im Radio
überlebt hatte.
Ich stellte mit einem
schnellen Blick fest, dass dieses Radio über die Möglichkeit
des Empfanges der Kurzwelle verfügte.
Ich
brauchte mehr Informationen!
Informationen!
Wenn ich sie schon nicht aus meiner Umgebung
und dem Radio ziehen konnte, musste ich versuchen meine verdrängten
Erinnerungen anzuzapfen. Ich konnte mir vorstellen, dass sie sehr
unerfreulich sein mussten, war doch der Prozess des Verdrängens
etwas, was meiner Psyche bislang unbekannt gewesen war...
Ich
dachte an den Alptraum, in dem mich ein gelbes Ungetüm zu
überrollen versuchte. Das heißt, überrollen konnte
ich erst sagen, seit dem ich allen Grund zu der Annahme hatte, dass
es sich bei dem gelben Ungetüm um den Caterpillar handelte der
immer noch groß und bedrohlich außerhalb des Dorfes
wartete - auf mich wartete!
Wartete?
Auf
was wartete?
Auf mich, um auch mich
unterpflügen zu können?
Oder
wartete er auf mich, um mit mir zu weiteren Massenbeerdigungen
beitragen zu können?
Alles Unsinn!
Ich
konnte mich düster erinnern, wie nach einer durchzechten Nacht.
Ich war irgendwann einmal zu Fuß in
dieses Dorf gekommen. Wo kam ich her?
Aus
anderen Dörfern?
Vielleicht!
Ich
kam also in dieses Dorf und fand gleich im ersten Haus sieben Tote,
die schon einige Tage so daliegen mussten. Ich konnte sie nicht
länger so herumliegen lassen, niemand hatte sich um dieses
Geschehen gekümmert. Es blieb mir nichts anderes übrig, als
sie zu begraben. Das habe ich dann auch im hauseigen Garten getan.
Das Familiengrab!
Als
ich einen Tag später weitergehen wollte, stieß ich auf die
anderen Bewohner des Dorfes - und auf den Caterpillar.
Im
Radio war wieder die maschinengewehrartige Stimme zu hören,
deren einzig verständlicher Sinn immer nur Terra futura, oder
Radio terra futura, mit Ausnahme einiger weniger Worte, deren Sinn
ich aufgrund meiner geringen Lateinkenntnisse kannte.
Aber
es musste doch noch andere Sender geben, Sender die in der Lage
waren, sich verständlich auszudrücken!
Ich
sprang aus dem Dolmus und rannte ins nächstbeste Haus, um nach
einem batteriebetriebenen Transistorradio zu suchen.
So
etwas musste es doch geben! Zumindest in der Türkei musste man
so etwas in jedem Haushalt haben!
Im dritten
Haus hatte ich Erfolg!
Und tatsächlich
es tat sich etwas, die Batterien hatten noch Kapazität. Ich
rannte mit meinem Fund ins Freie, drückte auf die Taste für
Kurzwelle und hörte wieder nur dieses beschissene Rauschen.
Das durfte doch nicht wahr sein! Ich drehte und
drehte und hörte immer nur dieses entsetzliche Rauschen, in
verschiedensten Varianten.
Doch dann
plötzlich, ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.
"Hallo, happy to live today! Here is the
new Radio terra futur."
Man hörte
kurz Musik.
Ich wartete unweigerlich auf die
Werbung, doch sie sollte erst Tage später kommen.
Aber
hatte das Maschinengewehr eben nicht englisch gesprochen?
"So
much lost life!" - diese Worte klangen so besinnlich...
- "Sorry, you here me, and..." der
Sprecher zögerte, während ich den Lautstärkeregler
langsam in Richtung Maximum drehte.
-"
for anyone who here me, there's a message for you! "
Eine
Pause und ich dachte schon, er würde nicht mehr
weiterreden.
"You're still alife!"
Nun folgten die bekannten Takte von John Lennon and
Yoko Ono.
"Everybody is talking
'bout..."
Wie lange hatte ich diese
Musik schon nicht mehr gehört?
"All
we are saying is, give peace a chance!"
Ich
ging, das Transistorradio wie einen Fetisch vor mich hintragend,
zurück zum Dolmus, um festzustellen, dass auch das Radio im Ford
give peace a chance plärrte.
Ich
unterdrückte den Impuls, das Transistorgerät auf den Boden
zu schleudern und überzeugte mich davon, dass das tragbare
Radiogerät einen besseren Klang aufzuweisen hatte, als das im
Ford. Sollte ich es am Bordnetz des Kleinbusses anschließen?
Erst bei diesem Gedanken kam mir zu Bewusstsein,
dass auch Energie aus der Autobatterie nicht unerschöpflich sein
konnte, ebenso, wie der Tankinhalt.
Was tun?
Sprach Zeus.
Der Sender "Radio terra
futura" kam mir ja mehr wie "Terra incognita" vor,
oder wie Terra in flagranti.
Ich musste
lachen! Ich musste lachen, tatsächlich!
Ich
konnte lachen!
Wie viele Leute würden
wohl in diesem Augenblick lachen können?
John
Lennon hören?
Ich schaltete das
Transistorradio aus und legte es auf den Fahrersitz des Ford.
Irgendwo in diesem Dorf musste es doch noch
ein anderes Radio geben, das hatten Autos nämlich so an sich,
dass es sie eigentlich nicht ohne Radio gab, zumal mir niemand
einfiel, der eines gebrauchen könnte.
Das
Fordradio beendete soeben den John-Lennon-Remembersong, wobei mir
einfiel, dass auf der Rückseite der Single Yoko Ono a cappella
den Song "Remember Love" zum Besten gab.
Aber
sie sang doch alleine!
Was soll's?
Ich
machte mich daran, einige Hanfpflanzen ihrer Blätter zu
berauben, hatte aber nicht die Absicht, ein solides Abschleppseil zu
fabrizieren. Die Blätter würden sehr schnell in der
unerbittlichen Sonne trocknen.
Nach einigen
Minuten Suche fand ich hinter einem der Häuser einen Anadol
herumstehen, dessen Benzin ich abzapfte, um damit den Tank des
Transit zu füllen. Ich ging davon aus, dass dieser Transit,
aufgrund seines Platzangebotes, von größerem Nutzen sein
würde, als der Anadol.
Außerdem
würde es wohl keine Ersatzteilprobleme mit dem Transit geben,
denn immerhin befand ich mich in der Türkei.
Ich
hatte beschlossen, den Transit mit allen möglichen und
unmöglichen Gegenständen des täglichen Gebrauchs zu
beladen und mit ihm Richtung Norden zu fahren, immer an der Küste
entlang - irgendwann musste ich ja das Katastrophengebiet verlassen
um wieder in die Zivilisation zurückzukehren.
-
Vielleicht sollte ich dann über meine Erlebnisse ein Buch
schreiben -
Wenn ich auch keine menschliche
Gesellschaft hatte, so hatte ich doch eines, Zeit, Zeit und ein
ganzes Dorf als Fundus.
Ich beschloss mir
einen Zeitplan zurechtzulegen, nachdem ich jeden Tag eines der Häuser
systematisch durchsuchte, bis ich sicher sein konnte, dass mir kein
Gegenstand entgangen war, der sich später mal als nützlich
erweisen konnte.
Aber zuvor musste ich an
mein leibliches wohl denken.
Ich begann so
viele Hanfpflanzen ihrer Blätter zu berauben, wie mir angemessen
erschien.
*
Komplott-Komplett
Präkatastrophal
Die
schwarze Limousine verfügte über eine Klimaanlage und
getönte Scheiben, sonst wäre es nicht auszuhalten aufgrund
der unerbittlichen Hitze nicht auszuhalten gewesen.
Die
Strahlen der unerbittlichen Sonne Kaliforniens, die alles tat, um
auch noch den letzten Tropfen Flüssigkeit aus den Körpern
der Pflanzen, Menschen und Tiere sowie aus dem ausgelaugten Boden zu
saugen.
Auffällig unauffällig waren
am Strassenrand in regelmäßigen
Abständen auffällig unauffällige Limousinen und
Coupés geparkt - man hatte infolge der unerbittlichen Sonne
auf Convertibles verzichtet - die auf unauffällige Weise den Weg
der Limousine sichern sollten um am Treffpunkt, einer Kreuzung
inmitten der Kalifornischen Wüste, nahe der Grenze zum
Nachbarstaat Nevada, wartete bereits eine andere Limousine, ein Rolls
Royce älteren Baujahrs.
Der
Lincoln-Continental drehte, um mit seinem Kühler wieder in die
Richtung zu zeigen aus der er gekommen war.
Der
Rolls Royce verfügte ebenfalls über abgedunkelte Scheiben
und der Motor war nicht ausgeschaltet, um Strom für die
Klimaanlage zu liefern.
Eine der hinteren
Türen des Rolls öffnete sich und ein Mann im
Nadelstreifenanzug kam heraus, und näherte sich mit langsamen
Schritten dem Lincoln, dessen Fahrer ebenfalls den Motor zu
Stromerzeugung für die Klimaanlage nutze.
"Stop!"
Das Kommando stammte aus einem verborgenen
Lautsprecher.
"Ziehen sie sich langsam
aus, wir wollen nur sichergehen, dass sie der richtige Mann sind!"
Der Mann begann langsam seinen Anzug abzulegen,
wobei er sich ein zynisches Grinsen nicht verkneifen konnte.
"Sie
wollen also wissen, ob ich ein richtiger Mann bin, na dann los!"
Als er auch nicht zögerte, seine
Unterhose abzulegen, ertönte wieder die befehlsgewohnte Stimme.
"Das reicht, sie können
reinkommen!"
Bei dem Mann hatten sich
zwischenzeitlich Schweißtropfen auf der Stirn gebildet - aber
bei solchen Geschäften sollte man nicht zimperlich sein!
Eine
Tür im Lincoln öffnete sich gerade so weit, dass er
hindurchschlüpfen konnte. Im Inneren des Wagens war es kalt und
er wurde von zwei kräftigen Kerlen ergriffen, in einen Sitz
gedrückt und an dessen Lehnen mit Handschellen angebunden.
Der Mann ertrug diese Prozedur mit Fassung, und ohne
auch nur eine Miene zu verziehen; gelassen betrachtete er sein
Gegenüber.
Die Männer, man hätte
sie wohl auch als Gorillas bezeichnen können, stiegen aus und
ließen den Mann, dessen Nadelstreifenanzug in der Wüste
lag, mit seinem Gastgeber allein.
"Es
tut mir leid, ihnen diese Unannehmlichkeiten bereiten zu müssen,
aber in meiner Position..."
"Aber,
aber, Eminenz! Ihre Sicherheit ist auch für mich ein äußerst
wichtiges Anliegen!"
Der alte Mann im
schwarzen Kleid lachte verstehend.
"Also
werden sie nicht zögern, unsere Pläne weiterzuverfolgen!?"
"Wie könnte ich, ich werde doch nicht
meinen besten Kunden verärgern wollen!"
"Dann
erzählen sie 'mal!"
"Dieser
Journalist hat einen bedauerlichen Unfall erlitten und wird sicher
keine Lügen mehr verbreiten können; Spuren gib es
selbstverständlich keine, es ist eben ein ganz normaler Unfall
gewesen."
"Der Herr sei seiner
Seele gnädig!"
Der alte Mann schien
es tatsächlich ernst zu meinen.
'Und
auch deiner!' dachte der Mann in der Unterhose, der allmählich
zu frieren begann.
Der alte Mann
wandte sich übergangslos einem anderen Thema zu.
"Was machen meine... unsere anderen Pläne?"
"Im Großen und Ganzen kann
ich dazu nur sagen, dass sie Fortschritte machen, denn so lange uns
die finanziellen Mittel nicht ausgehen - und wie sollte das bei ihrer
Gesellschaft geschehen - ist damit zu rechnen, dass wir in unseren
Bemühungen einem Erfolg immer näher kommen werden!"
Und Eminenz, wenn sie erlauben, je mehr Zeit wir
uns für die Suche lassen, desto größer wird der
Erfolg sein. Wir sind uns einig, nicht wieder eine solche Panne, wie
bei HIV zu dulden."
"Jedenfalls
können wir sicher sein, dass die undichte Stelle in unserer
Organisation abgedichtet wurde, es wird also keinen Informanten
geben, der einen weiteren Journalisten informiert."
"Ich muss sicher nicht extra betonen, auf
was es uns bei diesem Unternehmen ankommt!"
"Nein,
die Zielsetzung ist uns klar. Diesmal geht es darum, menschlichen
Geschlechtsverkehr und damit jede Form von Sexualität
überflüssig zu machen! Es geht um die unbefleckte
Empfängnis im großen Stil!"
Der
alte Mann wirkte unwirsch.
"Ich
glaube nicht, dass sie genug von diesen Dingen verstehen, um in
dieser Weise reden zu können!"
"Selbstverständlich
Eminenz, es tut mir leid!"
"Ist
ja schon gut!"
"Wir werden
wahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Tage mit den
eigentlichen Versuchen beginnen können, ich hoffe, dass sie uns
die Frauen so schnell wie möglich zur Verfügung stellen."
"Das wird kein Problem sein, mein
Sohn, unsere Organisation verfügt über ein Heer von
Freiwilligen. Wir werden also das Projekt bald in Angriff nehmen
können? Wir werden die Fleischeslust in ihre Schranken weisen!
Wir werden die Erde von dieser
Sünde
befreien! Wie ist es mit unserem anderen Projekt? Schließlich
wollen meine Brüder und ich die Ernte unserer Saat noch
erleben!"
"Unsere
Biogenetiker kommen ihrem Ziel langsam immer näher, genauer
gesagt ist es ihnen gelungen, eine DNS-Gruppe zu isolieren, die im
Stande ist, die vorprogrammierte Alterung einer Zelle anzuhalten. Sie
werden verstehen, dass der Professor, der mit dieser Aufgabe befasst
ist, nicht die volle Wahrheit zu kennen braucht. Er sucht offiziell
nach einem Weg, ein Universalmittel gegen jede Art von infiltrativen
Tumoren zu entwickeln. Sein Assistent ist einen Schritt weiter
eingeweiht und wird die Arbeit des Professors weiterführen, wenn
dieser seinen tragischen Unfall erlitten hat, wozu es allerdings noch
entschieden zu früh ist."
"Sie
sagen zu früh! Bedenken sie die ungeheuren Geldmittel, die wir
ihnen zur Verfügung stellen, sie sind weitaus weniger
unerschöpflich, als sie meinen. Sie können sich gar nicht
vorstellen, was für gewaltige Transaktionen vonnöten sind,
um so hohe Mittel bereitzustellen, die dazu noch zum Teil aus den
wöchentlichen Kollekten stammen. Sie müssen bedenken, dass
eine so gewaltige Organisation wie die unsere Ausgaben hat, die in
die Millionen bis Milliarden Höhen gehen! Sie können sich
gar nicht vorstellen, was für Schwierigkeiten wir zum Teil
haben, unsere Fabriken für Rüstungsgüter vor unseren
Schäfchen zu verbergen!"
Der
Mann mit der Unterhose sagte nichts, sondern wartete bis die Erregung
seines Gegenübers verflogen war.
"Eminenz!
Ich denke wir können diese Unterredung für heute beenden,
wir können uns dann wie üblich wieder miteinander in
Verbindung setzen."
"Ich
weiß genau, dass sie meine Ansichten nicht teilen, wir haben
Erkundigungen über sie eingezogen!"
Obwohl
er fror, brach dem Mann in der Unterhose nun der Schweiß aus, -
er sagte aber kein Wort.
,,Trotzdem
leisten sie zufriedenstellende Arbeit. Mich würde interessieren,
was sie antreibt"
"Der
Mammon, Eminenz, nichts als der schnöde der Mammon!"
Die
Antwort war so lakonisch, wie sie wirkte, denn beide wussten, dass er
diese Unsummen nur brauchte, um seine obskuren sexuellen
Ausschweifungen zu finanzieren, aber - und das wusste der Mann in der
Unterhose nicht - das war der einzige Punkt, in dem sie sich glichen!
Aufgrund eines Knopfdruckes seiner
Eminenz kamen die Bodyguards zurück, um den Mann in der
Unterhose zu befreien und ihn aus dem Wagen zu halfen.
Über der Straße flimmerte die Luft
aufgeheizt.
Der Lincoln verschwand mit
zunehmender Geschwindigkeit, woraufhin sich die hintere Tür des
Rolls öffnete.
Die Frau die
hinaussah, war ganz in Leder gekleidet, wobei entscheidenden Stellen
unbedeckt blieben, schwang eine Peitsche und winkte dem Mann in der
Unterhose aufmunternd zu.
"Warum
ziehst du dieses lächerliche Ding nicht auch noch aus, deine
Domina wartet auf dich!"
"
DIE GANZE ZEIT!"
*
Es ist kaum zu glauben, was
man alles an nützlichen Dingen in einem Dorf finden kann, das
einem uneingeschränkt zur Verfügung steht.
Immerhin
hatte ich mir vier Tage Zeit genommen, alles zu durchsuchen. Wenn man
bedenkt, was man auf diese Art und Weise alles über die
ehemaligen Bewohner der Häuser erfahren konnte kam es einem bald
so vor, als sei ein guter Bekannter gestorben.
Bei
mir war es nun ein ganzes Dorf guter bis sehr guter Frauen, Männer
und Kinder, über die ich nun mehr wusste, als sie zu Lebzeiten
übereinander gewusst hatten.
Diesen Tag
hatte ich zum Sonntag deklariert, denn es sollte der Vortag meiner
Abreise werden. In den Häusern hatte ich nichts mehr verloren,
denn ich hatte alles was man auch nur halbwegs brauchen konnte
herausgeholt, um es vor dem Dolmus aufzubauen, Also stand ich nun vor
der schwierigen Aufgabe, die wirklich brauchbaren Dinge in den Ford
zu laden, und die weniger wichtigen im Dorf zurückzulassen.
Weiterhin erwies es sich als Schwierigkeit, die
nötigen Dinge des so genannten täglichen
Gebrauchs so zu verpacken oder zu verstauen, dass sie im Rahmen
meines Bedarfes jederzeit verfügbar und zugänglich waren,
ohne dass man den ganzen Wagen leer zu räumen
hatte.
Über die Richtung, in die
ich fahren würde war ich mir noch im Unklaren, hatte ich doch
ein Schild gefunden, auf dem die Richtungen nach Bodrum und Kusadasi
aufgezeigt waren, ich würde wahrscheinlich würfeln oder
eine Münze werfen.
Das Radio, das ich in
einem der Häuser gefunden hatte, war an das Bordnetz des Transit
angeschlossen, so dass ich die Musik fast im ganzen Dorf hören
konnte. Brauchbare Informationen hatte mir Radio terra inflagranti
bislang nicht geboten, denn alle längeren durchsagen waren in
Italienisch erfolgt. Ich hatte festgestellt, dass es sich um die
italienische Sprache handeln konnte, da keines der spanischen Worte,
die ich kannte, in seiner eigentlichen Form vorgekommen war.
Das
Musikprogramm des Senders konnte sich hören lassen, zumindest
jeder dritte Titel hätte auch von mir ausgewählt sein
können. Mit anderen Worten, ich hatte bisher keinen Sender
gehört, dessen Musikprogramm mit meinem Geschmack so konform
gegangen war.
Zur Zeit konnte ich eines
meiner alten Lieblingsstücke von Moody Blues hören,
Melancholy Man, das ich mir zu meiner Beerdigung ausgesucht hätte,
nicht weil ich meinte besonders melancholisch zu sein, sondern weil
es mir einfach gut gefiel, weil ich bei diesen Klängen gute
Gefühle, vielleicht auch schöne Erinnerungen hatte.
MELANCHOLY MAN. Mike
Pinder
I'm a melancholy
man, that's all what I am,
All the world
surrounds me, and my feet are on the ground,
I'm
a very lonely man, doing what I can,
All the
world astounds me and I think I understand
That
we're going to keep growing, wait and see.
When
all the stars are falling down
into the sea
and on the ground,
And angry voices carry on
the wind,
A beam of light will fill your head
And you'll remember what's been said
By
all the good men this world's ever known.
Another
man is what you see,
Who looks like you and
looks like me,
And yet somehow he will not
feel the same,
His life caught up in misery,
he doesn't think like you and me,
'Cause he
can't see what you and I can see.
Es
folgten musikalische Klänge, wie sie ebenso
gut aus einer Wagneroper stammen konnten - ich hatte die Augen
geschlossen.
Another man is what you see,
Who looks like you and looks like me,
And
yet somehow he will not feel the same,
His
life caught up in misery, he doesn't think like you and me,
'Cause he can't see what you and I can see.
Aber dann war ich auch Another Man.
Es
war diese Musik, mit der ich growen up war, die ich voller
Gier in mich aufgesogen hatte, wie der Wüstenboden das Wasser
nach vielen Jahren ohne Regen.
Dieser
Vergleich war absolut untauglich, ich weiß, dass der
Wüstenboden nach Jahren der Trockenheit kein Wasser aufnehmen
kann; trotzdem war mir der Vergleich irgendwie passend erschienen.
Und dann war es diese Musik des Senders Terra
Futura, die mich zurückbrachte, in die relative Geborgenheit
meiner Kindheit und Jugend.
Kurzfristig kamen
mir immer wieder Gedanken, die danach fragten, was ich ohne diese
Musik tun würde - vielleicht durchdrehen.
Ich
wusste es nicht, und ich wollte es auch gar nicht wissen.
Mit
einem Griff wollte ich gerade das Radio ausschalten, die gewaltigen
Klänge von Moody Blues nicht durch eine andere Musik entweiht zu
hören, als meine Hand auf der Stelle verharrte, weil meine Ohren
eine Ansage in deutscher Sprache hörten.
Man
spricht deutsch!
"Hallo, ihr da draußen,
hallo, alle die ihr uns hört!"
Merkwürdige
Ansage!
"Vielleicht hört mich ja
jetzt jemand, der meine Sprache versteht, vielleicht aber auch
nicht!"
Es folgte wieder eine
Kunstpause, der Mann schien verzweifelt nach geeigneten Worten zu
ringen, war etwas außergewöhnliches geschehen?
Sollte diese Katastrophe doch größere
Ausmaße haben, als ich angenommen hatte?
"Wenn
du mich hörst, dann gehörst du zu den wenigen Menschen, die
das Ende der Welt überlebt haben!"
Das
waren sicher Kunstpausen!
Ich dachte
unwillkürlich an das Science-Fiction-Hörspiel War of the
Worlds, konnte die Stimme von Orson Welles noch in meinen Ohren
klingen hören.
Ende der Welt!
Ende
der Welt?
Hatte ich da eben richtig gehört?
"Ich weiß nicht, wie viele
Menschen diese Katastrophe überlebt haben, allerdings ist es
unwahrscheinlich, dass wir drei die einzigen sind. Ich bin erst vor
wenigen Stunden wieder erwacht und kann es immer noch nicht
begreifen, weiß gar nicht warum wir überhaupt noch senden,
warum wir... Ich weiß nicht, ich kann..."
Es
folgte nach einer kurzen Pause außerplanmäßige
Musik.
Ich konnte das Radio nicht
ausschalten, nicht jetzt!
Die Musik
verstummte.
"Giacomo hat gesagt, ich
soll ruhig weitersprechen, es sei völlig egal, ob ich
schwachsinniges Zeug sage, oder nicht. Jedenfalls glaube ich nicht,
dass wir uns das Ende der Welt so vorgestellt haben. Der einzige, dem
es nichts auszumachen scheint, ist Giacomo, er handelt, als wenn
immer noch tausende von Menschen vor den Radiogeräten hocken
würden, obwohl er ganz genau weiß, dass das nicht der Fall
ist. Vor dem Ende der Welt waren wir nicht anderes, als ein illegaler
Piratensender und wurden von den Behörden aller
Mittelmeerstaaten verfolgt, aber jetzt, so scheint es, sind wir der
einzige Sender auf dieser Welt, der noch sendet.
Wir
haben alle zur Verfügung stehenden Daten ausgewertet und sind zu
folgenden Schlußfolgerungen gekommen. Die Menschheit, das heißt
mehr als neunzig Prozent der Menschheit , ist an einer neuen
unerklärlichen Seuche gestorben, die plötzlich auftrat und
innerhalb von weniger als einer Woche die ganze Welt infiziert hat.
Die Überlebenden haben mindestens drei
Wochen unter einem Zustand relativer geistiger Umnachtung zugebracht,
wonach es dann einige Tage dauerte, bis sie wussten, was in der
letzten Zeit geschehen ist. Ich kann euch nur eines sagen, aber
wahrscheinlich hört mich doch niemand. Mach Musik, Giacomo! "
"Ja!"
Ich
hörte die bekannte Stimme des Italieners, der auf den Deutschen
einredete, der Deutsche schien sich von Giacomo beeinflussen zu
lassen.
"Na gut, machen wir weiter,
vielleicht hört mich ja doch jemand, der mich versteht. Es ist
anzunehmen, dass die ganze Erde betroffen ist , dass nur wenige
Prozent der Erdbevölkerung überlebt haben.
Wir
können keine genaueren Angaben machen, weil wir seit einigen
Monaten ohne Außenkontakte sind. Man könnte sagen, wir
sind von der Außenwelt abgeschnitten. Für alle, die es
noch nicht wissen sollten, Radio terra futura ist der einzige
Piratensender im ganzen Mittelmeerraum!"
Der
Sprecher schien die Tragweite seiner vorherigen Wort vergessen zu
haben und war nun nur noch der Redakteur im Studio, der
versucht war, mit allen möglichen und unmöglichen
Informationen die Einschaltquoten hochzutreiben, wobei anzunehmen
war, dass der Sender, wenn er tatsächlich der letzte Radiosender
war, jetzt prozentual betrachtet, einen wahren Einschaltquotenrekord
nach dem anderen aufstellte.
Dezent wurde
seine Rede ausgeblendet und ging langsam in Musik über.
Ich
machte mir keine Mühe, die Musik zu identifizieren, noch
gedanklich zu sehr mit den Informationen beschäftigt, die ich
soeben über Radio terra futura erfahren hatte.
Die
ganze Welt!
Fast alle Menschen!
Das
war die ganze Wahrheit !
Das musste die ganze
Wahrheit sein!
Ich konnte wahrscheinlich
fahren, wohin ich wollte und würde doch nicht auf eine intakte
Zivilisation stoßen.
Unweigerlich kamen
mir die irrsinnigsten Gedanken, wie Menschen suchen und die
Zivilisation neu aufbauen, neue Menschheit, neuer Adam sucht neue
Eva! Doch wo war die neue Eva?
Ganz davon
abgesehen, hatte es sowieso keinen Sinn eine Menschheit aus der Taufe
zu heben, ganz davon abgesehen, dass mir keine Frau zur Verfügung
stand, würde neue Menschheit sich sicher nicht anders
entwickeln, als die erste.
Wenn ich einfach
voraussetzte , dass die soeben untergegangene Menschheit die erste
war, was man mit Sicherheit nicht als gesicherte Tatsache sehen
konnte...
Was dachte dich für einen
Unsinn, angesichts dieser katastrophalen Eröffnung von Radio
terra futura?
Wie konnte ich an solche Dinge
denken, während fast die ganze Menschheit nicht mehr existierte,
alle Menschen, die ich kannte, gekannt hatte, alle Menschen, denen
ich begegnet war, so lange ich mich erinnern konnte, alle Menschen,
die ich in Filmen, im Fernsehen gesehen hatte, die ich an Radios
gehört hatte, deren Musik auf Schallplatten und anderen
Tonträgern gespeichert worden war, deren Bücher ich gelesen
hatte, einmal, zweimal oder immer wieder; wie konnte das möglich
sein, dass alle diese Menschen nicht mehr leben sollten?
Um
viele war es nicht schade!
Ich konnte mich
spontan an einige Menschen erinnern, die sicherlich keinen Verlust
darstellten, weder für die Menschheit, noch für mich.
Aber
was war mit den anderen, mit den Menschen, die ich für wert
hielt, zu leben? Wie war es mit den Menschen, die mir in meinem Leben
nahe standen, oder nahe gestanden hatten?
Sollte
es wirklich möglich sein, dass sie alle gestorben waren, alle
bis auf einen, alle bis auf mich?
Die ganze
Menschheit, bis auf einige Ausnahmen?
Warum?
Warum, es hatte keinen Atomkrieg gegeben, es
waren keine Außerirdischen im Rahmen einer Invasion zu uns
gekommen, ich konnte mir nicht vorstellen, was für eine Ursache
das Ende der Menschheit haben sollte. Im Nachhinein erscheint es mir
äußerst merkwürdig, so cool reagiert zu haben,
allerdings musste ich berücksichtigen, dass ich unter einer
ständigen nuklearen Bedrohung aufgewachsen war, aufgewachsen in
einem Land, von dem jeder wusste, dass es im Falle einer weltweiten
nuklearen Konfrontation keinen besseren Aufenthaltsort geben konnte,
als eben dieses Deutschland, weil es dann nicht nur dem Erdboden
gleichgemacht werden würde, sondern dessen ehemalige Fläche
nur noch ein riesiger Krater sein würde, ein Loch dessen
mahnender Anblick einem schon aus dem Orbit zu sehen sein würde.
Seht her, hier hat die Menschheit gezeigt,
was sie kann, lemmingengleich waren die Menschen, nein noch
schlimmer, hatten sie doch auch andere Möglichkeiten, der
Überbevölkerung Herr zu werden, als Kriege zu führen,
aus reiner Gewohnheit, weil man es immer schon so gemacht hatte, wenn
auch mit anderen Mitteln.
Aber was war es
schon für ein Unterschied, wenn auch die
Massenvernichtungsmittel immer effektiver wurden, so waren doch die
Beweggründe immer die gleichen, immer von gleicher Intensivität,
immer von gleicher Primitivität. Nein man konnte nicht
behaupten, der Mensch habe seine nahe Verwandtschaft zu den Primaten
überwunden. Obwohl, wenn man bedachte, wie weit entwickelt
wahrscheinlich das Sozialverhalten primitiver Kulturen war, konnte
man einen Rückfall der Menschheit in die Barbarei nicht
verbergen.
Was war der Mensch nur für
eine Kreatur geworden? Denn was konnte er besser, als vernichten und
zwar gründlich. Wer konnte so vermessen sein, zu glauben, dass
irgendeine andere Kreatur in der Lage war, in völliger
Selbstlosigkeit, sich selbst und seine Umwelt zu zerstören,
ohne zu irgendeinem anderen Pseudoargument fähig zu sein, als
einem entschiedenen:
"Ich musste es
tun"!
Dieses ich musste es tun,
dieses ständige Verkriechen hin zu diesem Wort, mit dem man
alles rechtfertigen konnte, je unsinniger desto besser - Sachzwänge!
Das war das Zauberwort, mit dem man alles rechtfertigen konnte, mit
dem man alles begründen konnte, bei dessen Gebrauch alle wissend
nickten, um sich in ihr Schicksal zu fügen,
dessen
Fadenscheinigkeit nicht zu überbieten war und dessen Magie im
Stande war, die Menschen durch seinen Gebrauch des Denkens zu
entledigen.
Alle diese Gedankengänge
brauchten nur den Bruchteil einer Sekunde durch meine Gehirnwindungen
zu huschen und mir klarzumachen, dass es für die Worte des
Sprechers im Radio nur eine stichhaltige Erklärung geben konnte,
ja geben musste, immer vorausgesetzt ich konnte dem Sprecher von
Radio terra futura glauben, aber ich hatte ja kaum die Möglichkeit
seine Angaben nachzuprüfen, konnte sie nur in diesem kleinen
Dorf, in dem ich mich aufhielt bestätigt sehen.
Für
alles was geschehen war, gleichgültig was geschehen war, konnte
es nur eine Ursache geben, menschliche Ignoranz und
Selbstüberschätzung, Selbstüberschätzung im
kleinen-und großen Rahmen, denn es gab einen Unterschied, ob
man sich nur selbst überschätzte, oder die ganze
Menschheit, oder seine Gruppe, um soziologisch zu werden.
Würde
es jemals einen Weg geben, herauszufinden, was geschehen war?
Wie viele Menschen hatten überlebt?
Vielleicht
auch welche, die für den Untergang der Mensch verantwortlich
waren? Würden sie sich zu erkennen geben?
Würde
man sie erkennen können?
Würden sie
zugeben was sie getan hatten?
Würden sie
mich überzeugen können und wollen, dass ihr Handeln richtig
und enorm edel war, dass sie es tun mussten, dass eben die Sachzwänge
dahinter standen?
Wie
viele Menschen würde ich finden, die das Ende, dieser Menschheit
überlebt hatten?
Würden sie mich
erfreut begrüßen?
*
DER BOTSCHAFTER
Der Regisseur
gähnte, legte die Zeitschrift beiseite, wartete einige lange
Sekunden und sagte dann laut und vernehmlich.
"Cut!"
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und wartete
bis der Kameramann die neue Einstellung vorgenommen hatte, es war ein
sehr guter Kameramann.
Routinegemäß und weil
man es von seiner Person aufgrund ihres Ranges bei der Videodrama
erwartete, stand er auf und warf einen angemessen langen Blick auf
die Einstellungen der Videokamera, denn er kam war ein Mann der alten
Schule und alle wussten, dass er sich nicht daran gewöhnen
konnte, einen Blick auf den Bildschirm zu werfen, der gereicht hätte,
der Kameramann; der bereitwillig Platz gemacht hatte grinst während
der Regisseur zu seinem Platz zurückkehrte.
Auf einem
Bildschirm vor seinem Sessel konnte er sehen, dass Veronika von der
Maske letzte Hand an den Kardinal legte.
Als Veronika
fertig war und ihr Werk zufrieden betrachte, bemühte sich der
Kardinal sein Kameragesicht zurechtzustilen, indem er seine
langerprobte Mimik im Spiegel überprüfte, was sicher genau
so überflüssig war, wie der Blick des Regisseurs durch den
Sucher der Kamera.
Der Regisseur ließ ihm die nötige
Zeit, während er daran dachte, wie einfach es gewesen wäre,
dem Wunsche des Kardinals zu entsprechen und ihm einen männlichen
Maskenbildner zur Verfügung zu stellen, aber auch Regisseure
hatten ihre Prinzipien.
Der Regisseur beugte sich in
seinem Sessel nach vorn, der auf der Rückenlehne die
obligatorische Aufschrift Regie trug, entspannte sich, und begann zu
arbeiten.
"Kamera ab!"
"Kamera
läuft!"
"Ton ab!"
"Ton
läuft!"
"Klappe!"
"Bischof
nah, die erste!"
KLapp!
"Action!"
Der Regisseur lehnte sich in seinem Sessel zurück und
guckte in den Spiegel, den er zuvor weggelegt hatte, alle
außer dem Bischof wussten, dass er innerhalb des
Spiegels die neueste Ausgabe des Playboy las.
,,Und, liebe
Brüder und Schwestern, wenn ich im Zusammenhang mit Aids von
einer Heimsuchung Gottes rede, werden wir bald wissen, dass diese
Heimsuchung nur mit den sieben Plagen zu vergleichen ist die
Gott nach Ägypten schickte, um das Volk Israel zu befreien."
Israel.
Die Kunstpause bewirkte, dass der
Regisseur von seinem Playboy aufsah und fast "cut" gebrüllt
hätte, aber er war zu sehr Profi und wartete, bis der Kardinal
wieder redete, um sich den Witzen zuzuwenden.
"Diese
Heimsuchung Gottes hat das Ziel, unsere Gemeinschaft der Gläubigen
zu befreien, zu befreien von den Anfechtungen der Fleischeslust, der
Unzucht mit Verhütungsmitteln, der Götzenverehrung in der
übertriebenen Körperlichkeit. Wir werden die Erde befreien,
von den falschen Göttern des Mammons und der Völlerei. Der
Herr sagt, kommet zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich
will euch erquicken. Ich aber als Botschafter des Herrn rufe allen
Kranken zu, bereuet eure Verfehlungen, der Herr ist nahe.
wahrlich ich sage..."
"Cut!
Cut! Cut!"
Der Regisseur hatte seinen Playboy zur
Seite gelegt und war aufgesprungen.
"So eine Scheiße
kann sich ja keiner anhören, schafft den Kerl hier raus, ich
kann ihn nicht mehr sehen und hören."
Alle
Beteiligten waren erstarrt.
Der Regisseur war aber erst
richtig in Form gekommen.
"Die NSDAP wurde verboten,
aber die Ursache für ihren Vernichtungsfeldzug darf heute noch
hetzen. Wer war er, euer Jesus? Nicht zumindest Halbjude? Wenn man
zugrundelegt, dass dieser Heilige Geist ein Deutscher war?"
Er holte tief Luft.
"Schafft doch endlich
diesen Schwätzer raus! Wann werden diese Scheißkirchen
endlich ihre Quittung erhalten, für all die Millionen von
Menschen, die sie auf dem Gewissen haben?"
*
Auf geht's
Ich hatte den Transit
voll gepackt und hoffte, nichts Wichtiges übersehen zu
haben, hoffte nichts in eines der Gebäude zurückgetragen zu
haben, was ich schon in wenigen Tagen als eines der wichtigsten Dinge
betrachten würde.
Obwohl, es gab da eine Sache, bei der ich
mich doch sehr schwer getan hatte, es handelte sich dabei um die
Waffen, die ich, gut versteckt, aber doch vor meinem Zugriff nicht
sicher, gefunden hatte. Ich hatte sie mit ambivalenten Gefühlen
ins Freie gebracht, hatte ich doch nicht vor, die ohnehin schon
irrsinnig weit reduzierte Menschheit noch weiter zu dezimieren; zur
Jagd würde ich die Waffen ohnehin nicht verwenden können,
denn einerseits war ich ein so genannter
Fastvegetarier, der sich von ovo-laktovegetabiler Kost
ernährte. Und andererseits war ich sicher, genügend
Konservendosen finden zu können, um sicher überleben zu
können, bis ich eine der größeren Städte
erreicht hatte, in denen sicher einige Menschen überlebt hatten,
die sich sicher schon jetzt mit der längerfristigen
Ernährungsfrage befassten,
Die Schusswaffen hatte ich also
zurückgelassen, ich glaubte außerdem, nicht besonders gut
mit solchen Gegenständen umgehen zu können. Ich ließ
die Waffen zurück, um somit mehr Platz für andere
brauchbarere Utensilien zu lassen. Ich hatte zum Beispiel alle
verfügbaren Propangasflaschen des Dorfes zusammengetragen, um
immer heißes Wasser für Tee zu haben. Es ist mir klar,
dass mich aufgrund des Zurücklassens der Waffen einige Leute für
überspannt halten werden, aber man könnte mich heute als
Gelegenheitspazifisten bezeichnen.
Ebenso wird man für
überspannt halten, dass ich im Zusammenhang mit den
Propangasflaschen zuerst an Tee gedacht habe, ich sehe keinen Grund
meine Handlungsweise und Gedankengänge zu rechtfertigen.
Gut,
wenn ich also in der Lage gewesen war, die gut versteckten Waffen zu
finden, wie war es dann mit den Pornos, denn immerhin befand man sich
ja in einem puritanisch-islamischen Land!
Ich habe sie gefunden,
besser versteckt, als die Waffen, aber auffindbar.
Ich war zwar
einerseits ziemlich sicher, so ziemlich alle brauchbaren Gegenstände
geborgen zu haben, denn wie sollte ein zivilisierter Mensch
und als solchen sah ich mich...
Sollte ich sicherheitshalber noch
einmal durch die Häuser gehen?
Nein, einmal musste ich
irgendwann einen definitiven Schlussstrich machen und meinen
Aufenthalt in diesem Dorf beenden.
Ich hatte natürlich auch
mit dem Gedanken gespielt, mich in diesem Ort einzurichten, von hier
aus die Nachbardörfer zu erkunden und alle brauchbaren
Lebensmittel aus der Umgebung hierher zu schaffen, um zu warten.
Warten!
Warten auf was?
Warten auf wen?
Auch wenn ich
mich dafür immer verachtet hatte, kam ich nun doch
zähneknirschend zu der Erkenntnis, dass es im Endeffekt doch nur
die Menschen waren, die ich brauchte, die mir fehlten.
Ich brach
also auf, weil ich Menschen suchte.
Als ich das Dorf verließ,
blickte ich nicht zurück, beachtete auch den Caterpillar nicht,
dessen große Batterie ich ausgebaut hatte, um sie für alle
Fälle dabeizuhaben, fuhr Richtung Westen, Richtung Küste,
um nach Kusadasi zu gelangen, in den Ort, den ich kannte.
Die
Straßen waren leer, ich hatte es auch nicht anders erwartet,
keine Autos, keine Menschen, nichts.
Ich fragte mich, wie lange
es dauern würde, bis die Vegetation wieder von diese Straße
Besitz ergriffen hatte, stellte mir vor, wie die stark frequentierten
Bundesautobahnen Mitteleuropas aussahen dachte unweigerlich ans
Slalomfahren, denn irgendwie musste man ja
an den Autos vorbeikommen, die einfach stehen
geblieben waren, als ihre Fahrer plötzlich gestorben
waren. Es war wirklich unglaublich, was für weitere Konsequenzen
diese Erkenntnisse nicht nur für mich hatte.
Egal, ob jetzt
neunzig oder neunundneunzg Prozent der Menschheit umgekommen war, die
Welt war für die Überlebenden anders geworden, in einem
Masse anders geworden, wie man es sich nicht vorzustellen vermochte,
wie man es sich in seinen kühnsten Fantasien nicht ausmalen
konnte. Was für eine Welt würde mich erwarten, da wo es
noch Menschen gab?
Ich war noch keine fünf Kilometer
gefahren, als ich zu einem anderen Dorf kam. Ich stoppte, während
Radio terra futura eine süddeutsche Satire brachte.
„Wo
man singt, da lass dich ruhig nieder - - - - - - - - - -schlagen,
deutsche Sänger dulden keine Zwischenfragen!"
Den
Satz musste ich mir merken!
Würde ich überhaupt noch
jemanden treffen, dem ich dieses Zitat nennen könnte?
Das
heißt, würde ich überhaupt noch jemanden treffen, der
meine Sprache verstand?
Voller Aufmerksamkeit fuhr ich mitten
durch das Dorf, durch die Straßen und Gassen, indem ich den
Ford im zweiten Gang im Leerlauf rollen ließ.
Was war das?
Hinter einem Fenster glaubte ich eine Bewegung wahrgenommen zu
haben.
Ich glaubte, etwas gesehen zu haben.
Die Bremse des
Transit ließ auch zu wünschen übrig, aber warum
sollte man sie in einen besseren Zustand versetzen?
Ich stieg aus
und zog gewohnheitsmäßig den Zündschlüssel ab.
Vorsichtig näherte ich mich dem Haus, als mir der Schreck in
sämtliche Knochen fuhr.
Ein
ohrenbetäubendes menschliches Gekreische, hastige
Schritte.
Meine Schrecksekunde war nur von kurzer Dauer und ich
raste den Geräuschen folgend hinterher, durch das Haus, auf
einen kleinen Innenhof in ein weiteres Haus. Das schrille Gekreische
war für mich die einzige Orientierungsmöglichkeit.
Als
ich den nicht abbrechenden Schreien folgte, die voller Angst und
Verzweiflung ausgestoßen wurden, kam mir gar nicht in den Sinn,
dass ich der Auslöser für diese offensichtliche Angst sein
musste.
Jedenfalls fand ich sie dann in einem Garten, unter einem
Busch kauernd, vor Angst zitternd und nicht mehr in der Lage die
Flucht weiterzuführen.
Die Augen der Frau waren vor Angst
weit aufgerissen, als mir klar wurde, dass
sie mich nicht verstehen würde, dass sie meine Sprachen nicht
verstand und dass mein Türkisch nicht reichen konnte, sie zu
beruhigen.
Was sollte ich tun?
Zögernd ging ich zurück
zum Dolmus und stellte fest, dass sie keine Anstalten machte, mir zu
folgen. Vielleicht würde es länger als ein Leben dauern,
bis sie die Schrecken der letzten Wochen und Monate vergessen konnte.
Immerhin schien sie alle ihre Angehörigen,
Freunde und Bekannten verloren zu haben, sie alle begraben zu haben,
betrauert, beweint...
Was sollte man tun, um sie zu beruhigen?
Hätte ich zu ihr gehen können, wenn es keine
sprachliche Barriere gegeben hätte?
Vielleicht um ihr zu
sagen, was soll's, es ist ja nicht so schlimm, das Leben geht weiter?
Ich tat nichts.
Der Transit sprang zögernd an und
brachte mich aus dem Dorf weiter nach Westen. Ob es einen Sinn hatte,
immer nach Westen zu fahren?
Im alten Testament entfernte man
sich immer von Gott, wenn man nach Osten reiste und in der nun
beendeten Atomzeit postulierte Timothy Leary, dass sich die
Fortschritte der Menschheit immer nach Westen bewegt haben, dass es
immer Gen-Pools waren, die sich nach Westen orientierten und dass
eben diese Gen-Pools
die Aufgabe gehabt hatten, einen weiteren
Schritt zu wagen, die Auswanderung ins All vorzubereiten.
Space
Migration, die ersten beiden Buchstaben für:
S.M.I².L.E.
Jedenfalls fuhr ich nun nach Westen, Richtung Küste,
Richtung Kusadasi.
Aus der Space migration
würde ja wohl nun nichts mehr werden.
Wie war es dann
mit I²?
Intelligence Inserates!
Intelligenzsteigerung?
Konnte die Intelligenz dieser
Menschheit, die sich wahrscheinlich, selber
ausgerottet hatte, noch gesteigert werden?
Wie war es mit L.E.?
Life Extension?
Lebensverlängerung?
mäßig,
bei einer Menschheit, die nichts anderes im Sinn zu haben schien, als
immer gefährlichere Waffen zu ihrere Verteidigung zu
produzieren.
Aus für smile?
Für S.M.I².L.E.?
Vielleicht nicht, vielleicht würde es eine neue Menschheit
geben, die nicht so verrückt sein würde, wie die erste oder
die welche auch immer.
In Gedanken versunken hatte ich den
Transit über die Straße fahren lassen und musste nun dem
Jeep ausweichen, der mir auf meiner Straßenseite entgegen kam.
Der Fahrer hupte und hatte auch allen Grund dazu.
Wenn ich
mich richtig erinnerte, musste ich auch nicht gerade weit genug
rechts gefahren sein.
Ein Jeep?
Ein fahrendes Auto?
Ich
sah in den Spiegel.
Tatsächlich!
Der Jeep, es handelte
sich um einen militärbraunen, hatte angehalten.
Mein rechter
Fuß näherte sich zögerlich der Bremse.
Menschen.
Menschen, die keine Angst vor mir zu haben schienen.
Ein Mann
sprang auf der rechten Seite aus dem Wagen, er trug einen Stab in der
Hand, den er schwang und in meine Richtung hielt.
Ein Blitz am
Ende des Stabes.
Scheiße, Soldaten, die immer noch Krieg
spielen müssen!
Dann hörte ich den Knall.
Gas
geben!
Lahme Scheißkiste!
Der Jeep folgte.
Der
uniformierte Irre stand im Wagen und ballerte was das Zeug hielt.
Je
mehr er ballerte, desto größer wurde die
Wahrscheinlichkeit eines Zufallstreffers, denn Zielen konnte er ja
ohnehin nicht, bei der Schaukelei des Fahrens.
Da hatte sich die
Menschheit bis auf einen verschwindend kleinen Rest reduziert und da
kamen dann Verrückte her und versuchten andere Überlebende
umzubringen, versuchten mich umzubringen,
der ich so harmlos war, wie kaum ein zweiter.
Was sonst konnten
diese beiden bezwecken wollen, wenn sie hinter mir herfuhren und
ungezielt auf mich schossen?
Der Jeep war schneller als der Ford!
Das einzige, was ihn bislang auf Abstand hielt, waren die
geringen Fahrkünste des Soldaten, der vor jeder Kurve einen
richtigen Bammel hatte. Ich hatte keine Angst vor Kurven, weil es
sicher besser war, einen Crash mit offenem
Ende zu bauen, als von irgendwelchen Haderlumpen abgeknallt zu
werden.
Was für eine Angst ich ausstand, angesichts dieser
massiven Bedrohung, war kaum auszudenken, obwohl meine Angst langsam
einer neuen Erkenntnis wich.
Ich war
auf mich gestellt, konnte nicht darauf hoffen, dass mir jemand half,
konnte nicht mit irgendwelchen staatlichen - überflüssigen
- Organen rechnen, die für Ruhe und Ordnung sorgten, sondern war
selber für meine Sicherheit verantwortlich.
Selber für
meine Sicherheit verantwortlich!
Die nächste Erkenntnis ließ
mich innerlich zusammenfahren.
Es würde mich niemand
hinterher zur Rechenschaft ziehen können, wenn ich mein Leben
nun selbst verteidigte.
Anarchie!
ANARCHIE!
Ich bog
bewusst auf einen holprigen Feldweg ab, denn irgendwie musste ich mir
diese Mordbuben vom Leibe halten.
Wer glaubt, auf einem holprigen
Feldweg wäre der Jeep im Vorteil gewesen, der irrt sich
gewaltig. Der glücklicherweise glücklose Schütze im
Jeep musste sich noch mehr darauf konzentrieren, dass er nicht vom
Wagen stürzte und der Fahrer hatte alle Hände voll zu tun,
den Jeep am Umkippen zu hindern.
Er musste das Tempo reduzieren.
Ich hatte nun auch größere Probleme zu bewältigen.
Immer stärkere und heftigere Stöße kamen durch, die
sorgsam verstauten Gegenstände machten sich selbständig und
flogen mir zum Teil um die Ohren und ich befürchtete jeden
Augenblick einen Achsbruch, hörte ich doch neben dem allgemeinen
Lärm noch unheilverkündende Geräusche von der
Hinterachse.
Ich spielte schon mit dem Gedanken, meine Gefährt
bewusst vom Wege abkommen zu lassen und da der Transit meinen
Verfolgern die Sicht versperrte auf einen Baum zuzufahren und im
letztmöglichen Augenblick auszuweichen, konnte aber nicht
verhindern, dass ich wie der Teufel das Letzte und wirklich das
Letzte aus dem Dolmus herausholte.
Befriedigt stellte ich fest,
dass sich der Abstand nicht mehr weiter
verringerte, was bedeutete, dass der Jeepfahrer mit mehr
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, als ich, denn immerhin wurde
er mehr durchgeschüttelt, als ich und musste härtere Stöße
erdulden.
Warum gab er nicht auf?
Ich umrundete einen Felsen,
nachdem ich den Abstand zum Verfolger grob
geschätzt hatte und bog nach rechts ab, um einen flachen
Kreis zu fahren.
In meinem Bewusstsein spulten
Galeeren herum, die gerudert wurden.
"Entermannschaft
bereit machen!"
Ich hatte Glück!
Ich war auf den
Felsen zugefahren, hinter dem der Jeep kommen musste. Bevor der
Fahrer richtig bemerkte, was geschah, fuhr ich neben ihm um ihn
abzudrängen.
Zumindest für den Jeep erwies sich der
Olivenbaum als Hindernis.
Als ich anhielt, spürte ich, dass
meine Adrenalisausschüttungen immer noch nicht beendet waren;
ich atmete tief durch, was allerdings auch nicht den gewünschten
Erfolg brachte.
Sekunden saß ich starr hinter dem Lenkrad,
zu keiner Bewegung fähig, bis ich wieder so klar denken konnte,
dass ich die Tür des Fort öffnete und mich herausrollen
ließ.
Vorsichtig, ich hatte den Eindruck gewonnen, dass man
in diesen Zeiten nicht vorsichtig genug sein konnte, robbte ich,
einen großen Bogen machend, auf den Jeep zu. Ja, ich robbte,
obwohl es mir gelungen war, den ständigen Einladungen der
Bundeswehr standzuhalten; man muss ja nicht unbedingt bei der
Bundeswehr gewesen sein, um sich auf robbende Weise fortbewegen zu
können.
Zumindest der Jeep würde wohl nicht mehr zu
gebrauchen sein, aber was war mit seinen Insassen geschehen?
Ich
wurde noch vorsichtiger und begann, jede mögliche Deckung
nutzend, so flach wie möglich über den Boden in der Deckung
des Grases näher an den gegnerischen Wagen zu kommen.
Immerhin
hatten diese Irren vor ihrem tragische Unfall versucht, mich
umzubringen, was für ein Grund mochte sie zu diesem Handeln
bewogen haben?
Der Fahrer war hinter dem Lenkrad eingeklemmt, für
ihn kam jede Hilfe zu spät, denn immerhin waren seit dem
Aufprall zumindest drei Minuten vergangen.
Wo war der Andere?
Den Anblick des eigentlichen Aufpralls
hatte ich verpasst, ich hatte genug zu tun, den Transit unbeschadet
zum Stehen zu bringen.
Wo war der zweite Mordbube?
Entweder,er
hatte den Aufprall unbeschadet überstanden, aber dann hätte
er schon kurz vorher abspringen müssen und wäre dabei
unweigerlich gegen meinen Wagen geprallt, oder die Wucht des
Aufpralls hatte ihn aus dem Wagen geschleudert, wobei er eine gute
Chance gebabt hatte, den Olivenbaum zu treffen, was allerdings nicht
der Fall war.
Also musste er rechts am Baum vorbei, in
Fahrtrichtung des Transit herausgeschleudert worden sein, was ihm
wahrscheinlich einige Verletzungen eingehandelt
hatte.
Aber dann hätte ich nur wenige Meter an ihm
vorbeirobben müssen, was mir sogar im Nachhinein noch
heiß und kalt den Rücken entlangrann.
Na, ja,
er schien ja doch erheblich verletzt worden zu sein, sonst hätte
er sich ja schon bemerkbar gemacht, entweder durch mehr oder weniger
lautes Stöhnen oder durch einen erneuten Angriff auf mich.
Also
hatte ich allen Grund das unbequeme Robben aufzugeben.
Elastisch
sprang ich auf die Füße, was mir das Leben rettete.
An
der Stelle, an der sich vor Sekundenbruchteilen noch mein Körper
befunden hatte, steckte nun das Bajonett des Soldaten im Boden.
Entweder hatte er seine Munition verschossen, als er wie ein
Irrer hinter mir hergeballert hatte, oder das Gewehr war bei dem
Unfall zu Bruch gegangen.
Ich wirbelte herum.
Er war dabei,
das Gewehr aus dem Boden zu zerren, als mein Fuß ihn im Bauch
traf. Ich war zwar niemals Fußballspieler
gewesen, aber in einer solchen Situation konnte man auch von
den Füßen Gebrauch machen, ja musste es tun, um zu
überleben.
Ich schlug mit allem zu, was mir an Körperkraft
zur Verfügung stand, aber es reichte nicht, der Kerl bewegte
sich noch als er am Boden lag.
Auf dem Rücken liegend griff
er nach einer Pistole, die ihm offensichtlich erst in diesem Moment
in den Sinn gekommen war.
Ich riss das Gewehr mit einem Ruck an
mich und stieß es in seinen Körper.
Ich muss
allerdings zu meiner Verteidigung anführen, dass ich nur einmal
zustieß, was ja auch seine Wirkung tat.
Was hätte ich
tun sollen?
So sehr ich auch überlegte, mir fiel keine
sichere Alternative ein.
Selbstverständlich belastete es
mich, dass es mir bislang nicht gelungen war zu einem Überlebenden
Kontakt aufzunehmen, obwohl ich mich ziemlich unschuldig fühlte.
Was hätte ich machen können als diese hysterische Frau fast
vor Angst ein weiteres Opfer geworden wäre?
Wie hätte
ich mich den beiden Haderlumpen gegenüber verhalten sollen?
Ich
wusste es nicht.
Wieder stand ich alleine da und hatte es mit
zwei Leichen zu tun, wobei ich in diesem Falle allerdings für
deren Ableben verantwortlich war.
Das war also Anarchie!
Es
gab keine Bullen mit Reizgas und Wasserwerfern, es gab keine
Finanzämter mit kleinkarierten Beamten, es gab keine
Fußballbesäufnisse, keine korrupten Politiker, keine
Industrieellen die sich Politiker, Arbeiter und Beamte hielten, nein,
es gab nur noch die anderen und mich.
Irgendwie fühlte ich
mich befreit, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese neue
Gesellschaft, so negativ meine Erfahrungen auch waren, eine
ehrlichere, berechenbarere sein konnte, wenn es gelang zu verhindern,
dass sich wieder einseitige Machtstrukturen etablierten.
Ich
weiß, dass man keinem übel nehmen kann, diese
Gedankengänge für befremdlich
zu halten, angesichts
einer erheblich reduzierten Menschheit, die ich soeben noch weiter
reduziert hatte, stand ich doch noch zwischen den Leichen.
Warum
hatten sie mich angegriffen?
Warum konnten sie nicht erkennen,
dass die Restmenschheit zusammenhalten musste, um einen neuen Anfang
zu realisieren?
Zusammen!
Anarchie hieß?
Was wäre
wenn?
Was wäre wenn es uns gelingen würde, die DNS von
Botulismuserregern, zur Gruppe der Chlostridien gehörenden
Bazillen, also Sporenbildnern, in ganz normale schnell mutierende
Grippeviren zu transmutieren?
Was wäre wenn?
Hätten
wir dann nicht einen biologischen Kampfstoff, der in seiner Virulenz
unübertroffen wäre?
Hätten wir dann nicht einen
biologischen Kampfstoff, dessen epidemische Virulenz erst durch die
unübertroffene Letalitätshäufigkeit des Botulins zum
tragen käme?
Merke, dreißig Gramm Botulin reichen aus,
um die ganze Menschheit zu töten; es gibt kein toxischeres
natürliches Toxin!
Was wäre wenn?
Was wäre
wenn es uns gelingen würde, unsere Bevölkerung früh
genug zu impfen?
Vielleicht könnte es uns gelingen, einen
großen Prozentsatz unserer eigenen Bevölkerung zu impfen!
Wir hätten selbstverständlich die Möglichkeit,
diejenigen auszusondern, die einer solchen Impfung nicht würdig
wären.
Eine Impfung nur für Technokraten oder
Bürokraten oder überhaupt nur für Monarchisten,
Hierarchisten, Patriarchisten, Matriarchisten oder irgendwelche
anderen Archen - oder sollte man besser sagen für Leute mit
Geld.
Ich glaube es ist doch besser, ich höre hier und jetzt
mit diesen Überlegungen auf, angesichts des zuletzt Erlebten.
Das Benzin des Jeeps passte noch in den Tank des Transit.
Ich
würde nun wohl eine völlig neue Karriere, als Waffenträger
beginnen müssen. War doch das Überleben für mich zu
einem zentralen Bestandteil meines Lebens geworden.
Ja, wäre
ich in meinem Dorf geblieben, in dem Dorf, das in den letzten Wochen
mein Dorf geworden war, aber dann hätte mich die verbleibende
Menschheit irgendwann doch eingeholt und ich wäre dann
ebenso wenig darauf vorbereitet gewesen, wie zu jedem anderen
Zeitpunkt. Nein, ich würde nicht in dieses Dorf Zurückkehren,
würde nicht in die trügerische Sicherheit der
Abgeschiedenheit flüchten, keinen Rückzug antreten.
Irgendwo in dieser verrückt gewordenen Welt musste es doch
Menschen geben, die nicht dem allgemeinen Irrsinn verfallen waren. In
diesem Zusammenhang von allgemeinem Irrsinn zu reden, könnte man
sicher für mehr als übertrieben halten, doch war dieser
Ausdruck auch zu schwach, für das was noch kommen sollte.
Bei
einem der beiden Toten fand ich eine Handfeuerwaffe und konnte nur
hoffen, mit diesem Instrument umgehen zu können oder den Umgang
damit zu erlernen.
Hatte ich genug Munition, um zu üben?
Würde die Knallerei weitere Haderlumpen auf den Plan rufen?
Der
Begriff Haderlumpen schien mir immer mehr zuzusagen.
Als mir
einfiel, dass die vorangegangene Knallerei ja auch gehört worden
sein konnte, hatte ich es plötzlich richtig eilig, das
Hinterachsgeräusch des Dolmus kam mir Plötzlich ganz
harmlos vor und der Beachtung nicht wert.
Wohin sollte ich mich
wenden?
Zur Küste, obwohl ich da die größere
Chance haben würde, Überlebende zu treffen, oder gerade
darum!?
In den dichter bevölkerten Gegenden
mussten einfach mehr Leute überlebt haben. Oder nicht?
Vielleicht waren die Menschen einem bisher unbekannten
Krankheitserreger zum Opfer gefallen, was bedeuten konnte, dass
gerade in den dichter besiedelten Gebieten kaum jemand überlebt
hatte.
Zum ersten Mal seit Wochen überlegte ich was für
eine Ursache hinter dieser tödlichen Wirkung
stecken mochte, an Quantenmechanik wagte ich gar nicht zu denken.
Radio terra futura dudelte leise vor sich hin, aber ich konnte
nicht behaupten, dass mir die Musik Freude bereitete.
Ich
schaltete aus, weil ich mir lieber die Geräusche der Achse
anhören wollte.
Ich würde wohl schnellstens ein
geeigneteres Fahrzeug brauchen, das den kommenden Anforderungen
besser gewachsen sein würde.
Spontan dachte ich an einen
schnellen BMW, sicherheitshalber mit four-wheel-drive, aber woher
nehmen und nicht stehlen?
Ein Königreich für einen
schnellen BMW!
Nein, ein schneller BMW wäre in der Türkei
nicht gerade einfach zu bekommen, schließlich
konnte man ja nicht gerade in München vorbeifahren, wegen
erforderlicher Ersatzteile.
Außerdem
hatte ich keinen Auslandsschutzbrief des
ADAC.
Ein Ford musste es sein, einer mit vielen PS, viel Platz
und was weiß ich sonst noch für Extras. Ein Granada
Turnier 2,8 i wäre gerade das richtige, aber waren solche Autos
in der Türkei verkauft worden?
Sofern ich mich in der Nähe
der Küste hielt, würde ich wegen des gut ausgebauten
Straßennetzes auf einen ausgesprochenen Geländewagen
verzichten können.
Ich hatte, sofern möglich, weitere
menschliche Ansiedlungen zu meiden und näherte mich Kusadasi von
Süden aus, vielleicht konnte ich in eines der Häuser der
Ausländer eindringen, vielleicht gab es da Dinge des täglichen
Gebrauchs, die man in den Häusern der Einheimischen vergeblich
suchte!
Vor jeder Kurve stieg ich aus, um zu Fuß
nachzusehen, was mich dahinter erwartete, eine höchstgradig
überflüssige Maßnahme, vorausgesetzt, man hatte das
richtige Auto, was man von einem Transit nicht behaupten konnte.
Meine Vorsicht hielt ich nicht für übertrieben, nach
den Vorkommnissen, die ich postkatastrophal mit den Haderlumpen
hatte.
Ach ja, Haderlumpen!
Wenn man Hader mit Streit und
Zwietracht gleichsetzt, oder nur mit Streit, handfestem Streit und
einen Menschen, der Streit sucht, ohne einen offensichtlichen Grund,
als Lumpen bezeichnet, kann man sehr schnell begreifen, wie sinnvoll
das alte Wort anzuwenden war.
Die Ironie des Schicksals sollte
auch nicht verborgen bleiben, denn die Leute, die zur Zeit meiner
Kindheit, den Begriff geprägt hatten, würden ihn
postkatastrophal, wenn sie noch leben wohl auf mich anzuwenden
wissen, waren doch lange Haare, Bart und geflickte Jeans schon genug
Gründe, jemanden ins gesellschaftspolitische
Abseits zu verbannen - klapp, die Schublade ist zu!
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